Wagenrundfahrt des Königspaares von Württemberg 

Datierung :
  • 1911
Beteiligte (Werk):
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Diese Filmaufnahme von 1911 zeigt eine Wagenrundfahrt des württembergischen Königspaares. Solche Rundfahrten, die regelmäßig zu feierlichen Anlässen wie Thronjubiläen, Geburtstagen oder Hochzeiten abgehalten werden, waren feste Bestandteile des höfischen Zeremoniells und der monarchischen Repräsentation. Der Monarch, der üblicherweise in einer offenen Kutsche oder im offenen Automobil fuhr, konnte sich auf diese Weise seinem Volk direkt zeigen und die Huldigungen seiner Untertanen entgegennehmen. Diese Fahrten erfüllten nicht nur die Funktion, dass der Herrscher als Symbol der gesellschaftlichen Ordnung und Gesicht des Staates Präsenz zeigte, sondern die Monarchie wollte sich auf diese Weise auch der Unterstützung des Volkes vergewissern und der Eintracht zwischen Volk und Monarch symbolisch Ausdruck verleihen. Dies war umso wichtiger, als die religiöse Legitimation und die sakrale Inszenierung der Monarchie allmählich an Bedeutung und Glaubwürdigkeit verloren. In einer Zeit, als fast überall in Europa eine Pluralisierung und Individualisierung des religiösen Lebens stattfand und die Mehrheit der europäischen Monarchien durch eine Verfassung und garantierte Bürgerrechte in ihrer Machtausübung begrenzt wurde, mussten neue Legitimationsquellen und Repräsentationsformen erschlossen werden - beispielsweise, indem sich der König der symbolischen Unterstützung und Zustimmung des Volkes versicherte und diese inszenierte. Über Zeitungen und illustrierte Magazine erreichten die Bilder Millionen Menschen, die dem festlichen Ereignis selbst nicht beiwohnen konnten. Während der erste württembergische König Wilhelm I. das religiöse Legitimationsdefizit durch eine gesteigerte höfische Prachtentfaltung kompensieren wollte, pflegte Wilhelm II., der letzte württembergische König, ein geradezu bürgerliches Image. In der Regel vermied er es, mit seinen Herrschaftsinsignien aufzutreten; zu seiner bevorzugten Kleidung zählten Anzug, Stock und Zylinder, also die Kleidung des zivilen Bürgertums. Andererseits existierten gerade in den Massenmedien nach wie vor starke Repräsentationserwartungen und eine Lust am monarchischen Pomp. Trotz seiner Neigung zum Bürgerlichen konnte Wilhelm II. also auch nicht gänzlich auf königliche Repräsentationsformen verzichten, wie auch in diesem Filmausschnitt von 1911 zu sehen ist. Zahlreiche Reiter, livrierte Diener und Kutschen mit Würdenträgern und Angehörigen des Königshauses begleiten das Königspaar bei seiner Rundfahrt durch die Stuttgarter Innenstadt, die anlässlich der Silbernen Hochzeit des Paares stattfand. König und Königin verzichteten aber auch hier auf traditionelle monarchische Insignien wie Königsmantel, Krone und Zepter. Dem militärisch-preußischen Zeitgeist entsprechend trägt der König eine Uniform und eine Pickelhaube, die sich ab 1871 in den Armeen der anderen deutschen Fürstentümer etablierte. Das bürgerliche Image und die inszenierte Eintracht zwischen König und Volk konnten die Strukturschwäche der alten Staatsform Monarchie im radikalen Modernisierungsprozess der Jahrhundertwende jedoch nur mühsam verdecken. Den Ersten Weltkrieg sollte sie nicht überleben; am 30. November 1918 dankte der populäre König ab. Felix Teuchert, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg: Bilder aus Tübingen T: 1
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