Baumeister Heinrich Schickhardt
als Landvermesser

Am 5. Juni 1604 entließ der Markgraf von Baden seine Untertanen in den Ämtern Altensteig und Liebenzell ihrer Pflichten und wies sie Württemberg zu. Damit vollzog sich ein Herrschaftswechsel, über den seit den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts verhandelt worden war. Die 1603 erfolgte Veräußerung der beiden Ämter war das Ergebnis einer ausgreifenden Territorialpolitik Herzog Friedrichs I. von Württemberg (1557–1608), deren Ziel ein Ausbau seiner Position im Nordschwarzwald war und die auch zur Gründung Freudenstadts geführt hatte.

Bei dem Herrschaftswechsel spielte ein Mann eine Rolle, der auch in Freudenstadt zu den engsten Mitarbeitern des Herzogs gehörte: der Baumeister Heinrich Schickhardt (1558–1635). Er berichtet selbst darüber in seinem so genannten Inventar, einem von ihm selbst um 1630 erstellten Verzeichnis seines Besitzes, das auch zahlreiche Informationen zu seinem Wirken im Dienste der Herzöge von Württemberg und anderer Auftraggeber enthält.

Schon 1602, so teilt Schickhardt darin mit, hatte ihn Herzog Friedrich aus Mömpelgard nach Liebenzell beordert, damit er zusammen mit den beiden Feldmessern Martin Motzer aus Tübingen und Conrat Pfehler aus Stuttgart die beiden Ämter Altensteig und Liebenzell mit allen Wald- und Feldgütern noch einmal vermesse, die zuvor schon einmal der Markgraf von Baden als Verkäufer hatte vermessen lassen.

Diese Neuvermessung hat sich für den Herzog gelohnt. Denn schon bald kam dabei eine Schwäche der vertraglichen Vereinbarungen zutage, die dem Herrschaftswechsel zugrunde lagen. Die badischen Unterhändler hatten nach badischem Maß – es ging um den so genannten Landzol – vermessen, das geringer als das württembergische war. Im Kaufvertrag, der von den Räten des Markgrafen von Baden und des Herzogs von Württemberg abgefasst worden war, habe nicht gestanden, so berichtet Schickhardt, welches Maß zugrunde zu legen sei. Während die Badener argumentierten, der Vertrag beziehe sich auf ehemals badisches Land, deshalb müsse das badische Maß gelten, bestand Schickhardt auf dem württembergischen Maß – mit der Begründung, der Vertrag sei doch in Stuttgart abgeschlossen worden und dort sei nun einmal dieses gültig. Weiterer Streit brach aus, als Schickhardt entdeckte, dass der Markgraf von Baden bei seiner Landvermessung auch Land mit vermessen lassen hatte, das ihm gar nicht gehörte und zudem kaum ertragreich war. Badische Possen nannte er dies.

Schickhardt sorgte nun dafür, dass dieses Land unberücksichtigt blieb und dass im Vertrag württembergisches Maß zugrunde gelegt wurde, wodurch er beim Kauf der neuen Ämter, wie er voll Stolz selbst in seinem Inventar anmerkte, dem Land Württemberg viele tausend Gulden ersparte.

Schickhardts Aktivitäten bei der Landvermessung wurden gleichwohl auch von der Gegenseite geschätzt. In seinem Inventar findet sich die Zeichnung eines Bechers, der ihm 1607 von Markgraf Georg Friedrich dafür verehrt wurde. Der Baumeister hat den Becher, den er als ein vergüldt (d.h.vergoldetes) Trinckhgeschirr bezeichnete, jedoch rasch versilbert. Den hab ich verkauft, steht lapidar neben der Zeichnung.

Schickhardts Wirken als Landvermesser im Kontext des Herrschaftswechsels ist auch durch eine Mappe von Forstkarten zum Altensteiger Amt bezeugt, die im Hauptstaatsarchiv Stuttgart erhalten ist. Die Handschrift darauf ist eindeutig als die des Baumeisters zu identifizieren. Auf den Karten finden sich Angaben zum Altensteiger Forst, über die Größe, den Besitz und die Herrschaftsverhältnisse, den Bewuchs und dessen Qualität – wie zum Beispiel: Württemberg hat fünf Achtel an dem schlechten Birkenwald im Hornberger Hartt. Diese Karten sind unmittelbar aus der Landvermessung erwachsen. Darüber hinaus gibt es noch ein ganzes Kartenwerk aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts, das ebenfalls von Schickhardt stammen dürfte. Es hat den Titel: Beschreibung des Herzogtums Württemberg und bietet sorgfältig ausgeführte Federzeichnungen, die zwar nicht von Schickhardt signiert sind, ihm aber wiederum aufgrund von Schriftvergleichen zugeschrieben werden konnten. Wichtig sind darin vor allem die Blätter zu den neuen Ämtern Altensteig, Liebenzell und Freudenstadt.

Robert Kretzschmar

Quelle: Archivnachrichten 43 (2011), S.12-13.
 

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