Schumacher, Gottlieb Samuel 

Geburtsdatum/-ort: 21.11.1857; Zanesville/Ohio USA
Sterbedatum/-ort: 26.11.1925; Haifa/Palästina
Beruf/Funktion:
  • Architekt, Kartograf und Archäologe
Kurzbiografie: 1865–1869 Schüler in Buffalo
1869–1875 Schüler in Haifa
1876–1881 Studium der Architektur und des Ingenieurwesens in Stuttgart
1883–1890 Bezirksingenieur in Akko
1891–1904 Amerikanischer Vizekonsul in Haifa
1888–1914 Archäologische Arbeiten in Megiddo, Samaria, Baalbek
1893 Verleihung des Dr. h. c. der Univ. Halle/Saale
1904 Verleihung des Titels Kgl. Württ. Baurat
1914–1918 Chefingenieur der IV. Ottomanischen Armee in Palästina
1918–1924 Leben in Schwäbisch Gmünd, Fertigstellung seiner Ostjordankarten
1921 Ehrenmitglied des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“
1924 Rückkehr nach Haifa
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1.11.1883 (Haifa) Maria, geb. Lange (29.10.1865 Gnadenfeld/Molotschna Kaukasus–7.10.1943 Haifa), Tochter des Friedrich Lange, Lehrer
Eltern: Vater: Jacob Friedrich Schumacher (16.4.1825 Tübingen–7.9.1891 Haifa)
Mutter: Juliana Christina, geb. Dorn (3.10.1819 Wüstenrot–8.9.1888 Haifa)
Kinder: 9: Alfred Jacob Friedrich (2.11.1884–10.12.1959); Julie Beate (7.4.1886–1.12.1969); Anna Irmgard (2.2.1888–22.1.1937); Hedwig Wilhelmine (7.1.1890–14.2.1965); Walter Karl (5.5.1892–20.4.1942); Hildegard Maria (2.10.1893–17.1.1934); Cornelia Edith (9.2.1896–16.2.1991); Christof Gottlieb (16.7.1897–13.4.1962); Elfriede Theodora Elisabeth (30.12.1904–4.12.2001)
GND-ID: GND/117284955

Biografie: Jakob Eisler (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 263-266

Gottlieb Schumacher gilt als einer der bedeutendsten Palästina-Deutschen des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er stammte ursprünglich aus einer in Tübingen alteingesessenen, einflussreichen Familie. Bis heute zählt er zu den bedeutendsten Palästina-Forschern und trug wesentlich zum Aufbau des Landes bei. Sein Vater Jacob Friedrich Schumacher wanderte im Revolutionsjahr 1848 in die USA aus. 1851 siedelte sich der Vater in Zanesville/Ohio an und heiratete drei Jahre später die Witwe Juliana Christina Dorn aus Wüstenrot/Württemberg, die eine Tochter, Maria, in die Ehe mitbrachte. Am 21. November 1857 wurde das einzige Kind dieser Ehe – Gottlieb Samuel – geboren.
In Zanesville hatte Jacob Schumacher sich einer Gemeinde angeschlossen, die seit 1855 mit Christoph Hoffmann (1815–1885), dem Sohn des Begründers Korntals, in brieflichem Kontakt stand. 1859 schloss er sich Hoffmanns Bewegung für eine ‚Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem‘ – den Templern – an. Christoph Hoffmann wollte in Jerusalem den geistigen Tempel der Gesellschaft gründen, weswegen seine Anhänger zunächst auch „Jerusalemsfreunde“ genannt wurden.
Anfang der 1860er Jahren wurde der Plan gefasst, eine Templergemeinde in den USA zu gründen. Mit vier Jahren zog Gottlieb Schumacher mit seinen Eltern in die Nähe von Buffalo im Staate New York, wo sein Vater zum Vorsteher der neuen Templergemeinde in „Maresa“ ernannt wurde. Nach einigen Jahren verließen die Schumachers diese Siedlung wieder und zogen 1865 nach Buffalo, wo sie bis August 1869 lebten. Dort verbrachte Gottlieb seine ersten Schuljahre.
Zwischenzeitlich hatten die Tempelvorsteher Württembergs, Christoph Hoffmann und Georg David Hardegg (1812–1879), mit der Auswanderung vom Kirschenhardthof nach Palästina begonnen.
1869 wurde mit dem Bau der württembergischen Kolonie Haifa angefangen. Die Tempelleitung am Kirschenhardthof bei Marbach bat die amerikanischen Templer, die beiden Familien Schumacher und Oldorf nach Palästina zu schicken. Zwölfjährig kam Gottlieb Schumacher im Oktober 1869 in Haifa an.
Hier erlebte Gottlieb Schumacher die schweren Anfänge der Templer-Ansiedlung in Palästina. Zunächst besuchte er die arabische Schule in Haifa, wo er schnell arabisch lernte. In der deutschen Schule in Haifa schließlich erlernte er bei seinem Lehrer Traugott Frei (1846–1891) neben der englischen Muttersprache französisch und deutsch. Zudem unterstützte er seinen Vater bei Entwürfen für Bauten in Haifa, Nazareth und bei verschiedenen Bildhauerarbeiten. Von 1876 bis 1881 studierte er an der technischen Hochschule in Stuttgart Ingenieurwesen (Hoch- und Tiefbau) und Architektur. In Stuttgart besuchte er oft seinen Vetter Ministerialdirektor von Dorn und konnte dadurch Kontakte zu den führenden Kreisen in Württemberg knüpfen. 1882 kehrte er ins elterliche Haus in Haifa zurück. Seine erste eigene Arbeit war die Planung einer neuen Friedhofsanlage für die deutsch-französische evangelische Gemeinde in Beirut. Darauf folgte die Vermessung der Strecke zwischen Haifa und Damaskus für die Bahnlinie einer Beiruter Gesellschaft, die jedoch erst Jahre später (1905) in ähnlicher Form von einer englischen Gesellschaft realisiert wurde.
Schumacher war mehrere Jahre Bezirksingenieur in Akko, der Hauptstadt von Nordpalästina, und war dort für den Brücken- und Straßenbau zuständig. In dieser Zeit wurden z. B. die Brücken am Kisonfluss gebaut, Karten von Haifa gezeichnet und weitere Vermessungsarbeiten durchgeführt. Schumachers Initiative ist es zu verdanken, dass der Name der Stadt Haifa, deren Schreibweise in lateinischen Buchstaben auf 17 verschiedene Arten vorkam, ab 1886 nun die einheitliche Schreibweise ,Haifa‘ bekam. Er entwarf viele staatliche Bauten im Bezirk Akko und führte eine große Zahl von Baumaßnahmen entlang der Küste und in Galiläa durch. So plante er das Krankenhaus der schottischen Mission in Tiberias, den Komplex der Londoner Judenmissionsgesellschaft in Safed sowie das Regierungsgebäude (Serail) am selben Ort. Er übernahm die Bauleitung am russischen Hospiz in Nazareth. Für Haifa plante er ein neues Regierungsgebäude und eine Hafenanlage; beide wurden jedoch nicht gebaut. In Haifa selbst wurden lediglich die Verlängerung des russischen Landungsstegs (1890), der Landungssteg der Deutschen Kolonie (genannt Kaiserdamm, 1898), die Deutsche Schule (1902) und seine Planung des Kaiserdenkmals am Karmelberg (1910) realisiert. Für den deutschen katholischen „Verein vom Heiligen Lande“ führte er Messungen am See Genezareth durch und plante in Tabgha das deutsche katholische Hospiz. Für die neu gegründeten jüdischen Kolonien plante er mit Unterstützung von Baron Edmond de Rothschild unter anderem die Weinkellereien in Sichron Jakob am Karmelberg und die Kellereien in Rischon le Zion bei Jaffa. Als die deutsche Himmelfahrtskirche am Ölberg in Jerusalem gebaut werden sollte, übertrug man Gottlieb Schumacher die gesamte Bauaufsicht dieses größten Bauprojekts im Palästina der Osmanischen Zeit.
Besondere und größere Bedeutung erlangte er allerdings durch sein kartographisches Werk. Als im Jahre 1884 der Wiener Prof. Dr. Wilhelm Anton Neumann (1837–1919) den Golan und Ajlun bereiste, lernte er Schumacher kennen und schlug vor, dass Schumacher diese Region im Auftrag des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“ kartographieren solle. Die Verhandlungen führten dazu, dass Schumacher und der von der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften unterstützte Dr. Friedrich Wilhelm Noetling (1857–1928) die topographische und kartographische Vermessung des Ostjordanlandes (heute Syrien und Jordanien) ab 1885 in Angriff nahmen. Die Vermessungen erstreckten sich vom Fuß des Berg Hermon bis an den Fluss Jabbok. Von Sommer 1894 bis 1902 reiste Schumacher alljährlich in das Ostjordanland, um Lücken in älteren Aufnahmen zu schließen und die Karten zu vervollständigen. Schumacher arbeitete auch für den „Englischen Verein zur Erforschung Palästinas“ (Palestine Exploration Fund). Viele seiner gedruckten Werke erschienen in London.
Schumacher entdeckte jüdische Grabhöhlen aus der Talmudischen Zeit in der Nähe von Haifa, dies sollte eine seiner ersten archäologischen Ausgrabungen werden. Die Ergebnisse zu diesem Fund veröffentlichte er in der „Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins“. 1903 bis 1905 hatte er die Leitung der Ausgrabungen in Tell el-Mutesellim (Megiddo) und arbeitete in Baalbek mit Prof. Dr. Otto Puchstein (1856–1911) bei der Bestandsaufnahme zur Palastrestaurierung. 1908 arbeitete er für die Harvard University bei Ausgrabungen in Samaria.
In Haifa war er Teilhaber der Export- und Importfirma Dück und Co. und der Zement- und Ziegelfabrikation der Gebrüder Beilharz. Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs war er Mitbegründer der Erdöl-Gesellschaft am Toten Meer. Bei Kriegsausbruch 1914 wurde Schumacher Chefingenieur der IV. kaiserlichen Ottomanischen Armee und nach dem türkischen Rückzug gehörte er der 27. Vermessungsabteilung des deutschen Heeres an. Im Jahre 1918 zog er zu seinem Schwiegersohn Dr. Carl Lorch nach Schwäbisch Gmünd, wo er mit der Fertigstellung der Karten des Ostjordanlandes für den Deutschen Palästina-Verein befasst war. Ende 1921 gingen alle Karten an einen Verlag in Leipzig und Mitte 1924 konnte der Druck vollendet werden. Da Gottlieb Schumacher auf der schwarzen Liste der Engländer stand, wurde ihm – für ihn unbegreiflich – die Rückkehr nach Palästina zunächst verwehrt. Im Jahre 1922 erlitt er einen Schlaganfall. 1924 endlich erhielt er von der englischen Regierung die Genehmigung zur Wiedereinreise. Er starb ein Jahr später in seinem Sommerhaus am Karmelberg in Haifa.
An der Universität Haifa bemühte sich Prof. Dr. Alex Carmel (1931–2002), ein Institut zur Erforschung des christlichen Beitrages zum Aufbau des Landes zu gründen, das den Namen Gottlieb Schumacher tragen solle. Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker schrieb 1985 an Prof. Carmel darüber wie folgt:
„Schon aus landsmannschaftlicher Verbundenheit habe ich das segensreiche Wirken der württembergischen Templer von ihren Anfängen im vorigen Jahrhundert an mit großer Anteilnahme verfolgt. Ich würde mich freuen … wenn durch Ihr eigenes persönliches Engagement [es] gelingen würde … [einen]Gottlieb-Schumacher-Lehrstuhl finanziell sicherzustellen.“ Im Jahre 1987 stifteten das Land Baden-Württemberg und der Autokonzern Daimler-Benz das nötige Geld für die Gründung des Gottlieb-Schumacher-Instituts. Es wurde am 27. Oktober 1987 mit einem festlichen Akt an der Universität Haifa eingeweiht. 1998 wurde eine Straße in Haifa nach ihm benannt.
Quellen: A der Tempelgesellschaft, Stuttgart, Akte Gottlieb Schumacher; PAAA, Akten Türkei; Palestine Exploration Fund, London.
Werke: Across the Jordan: Being on Exploration and Survey of part of Hauran and Jaulan, 1885; Pella, 1888; Abila of the Decapolis, 1889; North Ajlun, Within the Decapolis, 1890; Das südliche Basan, 1897; Tell et-mutesellim, Bd. 1 und Bd. 2 , 1903; Beiträge in der: „Zs. des Deutschen Palästina Vereins“, „Palestine Exploration Fund Quarterly Statement“ und „Die Warte des Tempels“.
Nachweis: Bildnachweise: Alex Carmel/Jakob Eisler, Der Kaiser reist ins Heilige Land. Die Palästinareise Wilhelms II. 1898. Eine illustrierte Dokumentation, 1999, 64.

Literatur: Das Lebensbild von Baurat Dr. Gottlieb Schumacher, Die Warte des Tempels, 15.1.1926, 6–7; Paul Sauer, Beilharz – Chronik, 1975; Yossi Ben-Arzi, Unbekannte Pläne und Landkarten aus Haifa von Gottlieb Schumacher, Zs. des Deutschen Palästina-Vereins, 107 (1992), 176–192; Alex Carmel, Die Siedlungen der württ. Templer in Palästina 1868–1918 (VKgLBW B, Bd. 77, 3. Aufl., 2000; Alex Carmel, Die württ. Familie Schumacher in Palästina, in: Ulrich Hübner (Hg.) Palästina Exploranda, ADPV, Bd. 34 2006, 164–173; Hermann Michael Niemann/Gunnar Lehmann, Gottlieb Schumacher, Carl Watzinger und der Beginn der Ausgrabung in Megiddo: Rückblick und Konsequenzen nach 100 Jahren, in: Ulrich Hübner (Hg.) ebda., 174–203; Jakob Eisler/Thomas Vogel, Jacob und Gottlieb Schumacher: Von Tübingen über Ohio nach Haifa, in: Karlheinz Wiegmann (Hg. ), Hin und weg, 2007, 125–137; Jakob Eisler, Die Auguste-Victoria-Stiftung auf dem Ölberg in Jerusalem – Eine Bilddokumentation, 2010.
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