Winter, Carl Joseph 

Andere Namensformen:
  • Karl Joseph Winter
Geburtsdatum/-ort: 04.11.1898;  Gommersdorf
Sterbedatum/-ort: 17.05.1988;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • römisch-katholischer Priester, Domorganist, Musikwissenschaftler
Kurzbiografie: 1916 Abitur, Mannheim
1916-1918 Kriegsdienst
1918-1922 Theologiestudium, Freiburg
1923 Priesterweihe
1923-1930 Vikar, Freiburg-Dompfarrei, Freiburg-St. Urban (Herdern)
1930-1934 Musik- und Musikwissenschaftsstudium, Beuron, Regensburg, München, Rom
1934 Dr. phil. bei Prof. Dr. Rudolf von Ficker, Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts München
1934 Domorganist, Freiburg, Dompräbendar
1946/47 Dozent für katholische Religionskunde, Universität Freiburg (Philosophisches Propaedeuticum)
1947 Geistlicher Rat ad honorem
1948-1970 Dozent, Staatliche Hochschule für Musik Freiburg
1951 Professor
1965 Päpstlicher Geheimkämmerer (Monsignore)
1972 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Eltern: Max(imilian) Winter (1869-1926), Lehrer und Kirchenmusiker
Anna Maria, geb. Veith, Hausfrau (1867-1937)
Geschwister: Maria Anna Katharina (1895-1944)
Emma Anna Maria (1897-1944)
Joseph Stephan (1902-1944)
GND-ID: GND/132429829

Biografie: Christoph Schmider (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 487-489

Winter, der schon während der Schul- und Studienzeit durch seine große musikalische Begabung aufgefallen war, kam nach der Priesterweihe zunächst als Kooperator und Organist ans Freiburger Münster, danach als Vikar nach Freiburg-Herdern. Neben seinen Aufgaben in der Seelsorge und als Religionslehrer, die er stets sehr gewissenschaft erfüllte, bemühte Winter sich um seine musikalisch-praktische und musikwissenschaftliche Weiterbildung. Zu Ostern 1930 wurde er für zunächst ein Jahr zum Studium beurlaubt. Er besuchte daraufhin von Mai bis Oktober 1930 einen Kurs im Kloster Beuron, wo er sich intensiv mit Theorie und Praxis des Gregorianischen Chorals befaßte. Am 15. Oktober des gleichen Jahres begann er ein Studium an der Kirchenmusikschule in Regensburg. Wie schon während des Theologiestudiums zeichnete sich Winter auch hier durch unermüdlichen Fleiß aus und konnte so bereits am 15. Juli 1931 den eigentlich auf zwei Jahre angelegten Kurs mit sehr gutem Erfolg abschließen.
Über die praktische Ausbildung hinaus lag Winter die Vertiefung seiner musikgeschichtlichen Kenntnisse am Herzen, wozu Regensburg mit den reichhaltigen Schätzen der „Proske-Bibliothek“ ideale Voraussetzungen bot. Mit dem Wintersemester 1931/32 nahm Winter an der Universität München das Studium der Musikwissenschaft auf und begann bald mit der Arbeit an seiner Dissertation über den römischen Komponisten Ruggiero Giovannelli. Zusätzlicher privater Unterricht in Musiktheorie und Orgelspiel sowie ein mehrwöchiger Studienaufenthalt im Archiv der Capella Sistina in Rom (März/April 1932) rundeten seine umfassende musikwissenschaftliche und -praktische Ausbildung ab. Im Wintersemester 1933/34 wurde die Dissertation von der Universität München angenommen, und bald darauf, am 6. März 1934, trat Winter den Dienst als Domorganist in Freiburg an, den er bis zum Ende des Jahres 1971 versah.
Die Jahre der NS-Herrschaft und die ersten Kriegsjahre überstand Winter unbeschadet. Anlaß zu Konfrontationen mit den Machthabern boten weder seine im wesentlichen auf den recht „ungefährlichen“ Bereich der Kirchenmusik und die seelsorgerliche Arbeit im Beichtstuhl beschränkte Tätigkeit – er war bis an sein Lebensende besonders bei den Freiburger Männern als sehr verständnisvoller Beichtvater beliebt –, noch sein stilles, friedliebendes und grundsätzlich unpolitisches Naturell. Auch von einem nochmaligen Kriegseinsatz blieb der im Ersten Weltkrieg verwundete Winter verschont. Bei einem Fliegerangriff am 27. November 1944 aber wurde sein Haus von einer Bombe getroffen und völlig zerstört. Winter selbst, der sich zu diesem Zeitpunkt im Münster befand, kam körperlich unversehrt davon, doch seine beiden Schwestern, sein ebenfalls als praktischer Musiker tätiger Bruder und seine Schwägerin, die erst kurz zuvor bei ihm im vermeintlich sicheren Freiburg Zuflucht gefunden hatten, starben und blieben unter den Trümmern des Hauses begraben. Winters immer schon zurückhaltende und verinnerlichte Wesensart wandelte sich danach in einen tiefen Ernst, wenn er den Schlag auch aufgrund seines ungebrochenen Gottvertrauens allmählich verwinden konnte.
Neben seinen eigentlichen Aufgaben war für Winter die Heranbildung musikalisch und religiös vorbildlicher Kirchenmusiker besonders wichtig, und folgerichtig hatte er schon während des Theologiestudiums und danach im Priesterseminar seinen Kommilitonen Choralunterricht erteilt. Bald nach ihrer Gründung wurde er an die Freiburger Musikhochschule berufen, wo er am 1.4.1948 zusammen mit Domkapellmeister Franz Stemmer die Abteilung für katholische Kirchenmusik übernahm. Bis zum Jahr 1965, als er aus Altersgründen sein Amt niederlegte, war Winter Professor für Orgel sowie Leiter der Abteilung für katholische Kirchenmusik. In dieser Zeit vermittelte er zahlreichen Organisten und Kirchenmusikern eine profunde praktische Ausbildung und entscheidende künstlerische Impulse. Danach blieb er noch mehrere Jahre als Lehrbeauftragter für Geschichte der katholischen Kirchenmusik, Choral- und Kirchenliedbegleitung sowie Improvisation der Musikhochschule verbunden, und auch die Leitung der Abteilung für katholische Kirchenmusik oblag ihm noch weiter. Erst zum Ende des Wintersemesters 1969/70 trat er endgültig in den Ruhestand und legte bald darauf das Amt des Domorganisten nieder. Solange sein Alter und seine Gesundheit dies zuließen, spielte er jedoch weiterhin gelegentlich im Gottesdienst, und mit großer Freude und Sachkenntnis führte er unzähligen Besuchern die einzigartige Orgelanlage des Freiburger Münsters vor.
Am Bau dieser 1965 fertiggestellten, aus vier sowohl separat als auch gemeinsam spielbaren Orgeln bestehenden Anlage hatte Winter maßgeblich mitgewirkt. In Zusammenarbeit mit renommierten Fachleuten hatte er die Disposition entworfen und die optische Gestaltung geprägt, und auch wenn die Anlage schon rund zwanzig Jahre nach ihrer Fertigstellung nicht mehr in allen Einzelheiten befriedigte und teilweise umgebaut wurde, stellt sie wohl dennoch die eigentliche Krönung seines Lebenswerks als Domorganist dar.
Winters Bedeutung lag vor allem in seiner langjährigen Tätigkeit als Hochschullehrer, Domorganist und Seelsorger, weithin bekannt aber wurde er durch die jahrzehntelang von ihm veranstaltete Orgelkonzertreihe im Freiburger Münster. Aus bescheidenen Anfängen, die sein Vorgänger Wilhelm Weitzel im Jahr 1933 gemacht hatte, entwickelten sich die Konzerte, trotz der kriegsbedingten Unterbrechung von August 1944 bis November 1946, bald zu einer über Freiburg hinaus beachteten und auf hohem künstlerischen Niveau stehenden Einrichtung. Winter leitete sie insgesamt fünf Jahrzehnte lang, engagierte international bekannte sowie vielversprechende junge Organisten aus aller Welt und koordinierte und prägte die Programmgestaltung.
Bis etwa zur Mitte der sechziger Jahre spielte er in jeder Saison ein oder mehrere Konzerte selbst und beschränkte sich erst dann auf die rein organisatorischen Aufgaben, als sein künstlerisches Gewissen ihm weiteres Konzertieren verbot. Im Zentrum seines Orgelspiels stand die Musik Johann Sebastian Bachs, und nur aus handfesten musikhistorischen oder pädagogischen Gründen stellte er gelegentlich ein Programm ohne Werke des großen Thomaskantors zusammen. Fast gleichberechtigt neben Bachs Musik stand für Winter das Orgelwerk Max Regers, für das ihm von Rezensenten seiner Konzerte immer wieder besondere Kompetenz bescheinigt wurde. Auch setzte er sich stets für zeitgenössische Orgelmusik ein, machte aber vor allem in späteren Jahren keinen Hehl daraus, daß ihm der Zugang zu avantgardistischen Werken weitgehend verwehrt blieb. Im Mittelpunkt seines Lebens jedoch stand der Gottesdienst, und so war ihm jede Musik immer nur Mittel zur Verherrlichung Gottes. „Musik – Kult – Kultur“, so der Titel eines Vortrags, den Winter 1974 vor Kirchenmusikern hielt, hingen für ihn untrennbar zusammen, und nur durch ihre Begründung im Kult als Gottesverehrung erschienen ihm Musik und Kultur möglich und lebensfähig.
Quellen: Personalakte Carl Winter (+ 17.05.1988), EAF
Werke: Ruggiero Giovannelli (c. 1560-1625). Nachfolger Palestrinas zu St. Peter in Rom. Eine stilkritische Studie zur Geschichte der römischen Schule um die Wende des 16. Jahrhunderts, München 1935 (= Schriftenreihe des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität München, Bd. 1); Das Orgelwerk des Freiburger Münsters. Erbaut von Orgelfabrik Weite&Söhne, Freiburg i. Br. Freiburg o. J. [1937]; Anton Bruckners Sendung für unsere Zeit, in: CVO. Zeitschrift für Kirchenmusik 69, 1949, 138-142; Canticum Sancti Marci. Strawinsky’s neues geistliches Chorwerk, in: Musica Sacra 77, 1957, 8-17; Das Orgelwerk des Freiburger Münsters, 1965; Musik – Kult – Kultur. Festvortrag aus Anlaß der 34. Generalversammlung des ACV in Salzburg, in: Musica Sacra 95, 1975, 225-240
Nachweis: Bildnachweise: EAF (Photographie)

Literatur: Dr. H. G., Dr. Carl Winter, 60 Jahre Priester (1.7.1923 ordiniert), in: Musica Sacra 103, 1983, 485-486; J. A. [Johannes Adam], Priester und Künstler. Zum Tod des Freiburger Organisten Carl Winter, in: BZ, 24.05.1988; N. N. [Wolfgang Kirchgässner], Nachruf, in: Konradsblatt, 19.06.1988 (= gekürzte Fassung der bei Winters Beerdigung gehaltenen Ansprache); Hans Musch, ... implevit eum Dominus spiritu sapientia ... Zum Tode von Carl Winter (1898-1988), in: Musica Sacra 108, 1988, 327-328; Christoph Schmider, Winter, Carl, in: FDA 111, 1991, 339-343 (= Necrologium Friburgense)
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