Rögele, Karl 

Geburtsdatum/-ort: 08.07.1873;  Gaisbach bei Oberkirch
Sterbedatum/-ort: 04.09.1937; Rötenbach
Beruf/Funktion:
  • katholischer Pfarrer, Historiker und Heimatforscher
Kurzbiografie: Volksschule in Eckartsweier, ab 5. Klasse (wegen des Religionsunterrichts) in Marien bei Kehl
1885-1890 ab Quarta Lendersche Lehranstalt Sasbach
1880-1892 Gymnasium Rastatt, dort Abitur
1892-1896 Theologiestudium in Freiburg, 1896 Priesterweihe in Freiburg
1896-1899 Vikar, 1900 Pfarrverweser in Nußloch bei Heidelberg
1901 Pfarrverweser in Malsch und Eichtersheim
1902 Pfarrer in Kürzell
1906-1937 Pfarrer in Rötenbach
1929-1935 Dekan des Kapitels Neustadt im Schwarzwald
1931 Ehrenbürger von Rötenbach
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Bonifaz Rögele (1837-1908), Kulturmeister (Güteraufseher)
Mutter: Pauline Rögele, geb. Graf (1842-1915)
Geschwister: 6
GND-ID: GND/1012297608

Biografie: Otto B. Roegele (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 238-240

Die Liebe zur Heimat, die sein Wesen, seine Studien und sein schriftstellerisches Schaffen prägte, hatte ihren Ursprung in einer paradiesischen Kindheit. Während der Vater (seit 1875) als Verwalter des staatlichen Grundbesitzes auf dem Schutterhof bei Eckartsweier wohnte, wuchsen die (sieben) Kinder in der Flußlandschaft zwischen Rhein und Kinzig auf, lernten Hechte mit der Hand fangen und brachten Raben das Sprechen bei. Die Erinnerung an diese glückliche Zeit hat ihn nie verlassen, auch wenn Krankheit und Sorgen ihn heimsuchten.
Wohin er auch kam, begann die Vergangenheit mit ihm zu sprechen. Als Seelsorger in Kürzell hatte er von dem dortigen Kreuzwirt J. G. Pfaff (1769-1840) erfahren, der durch seinen ebenso listen- wie erfolgreichen Kleinkrieg gegen die französischen Truppen (1796-1800), die viermal den Rhein überschritten und das bischöflich-straßburgische Gebiet besonders schwer verwüsteten, zur lokalen Berühmtheit geworden war. Rögele zeigt in seiner Biographie (1913) nicht nur den „Volkshelden“, sondern auch die Not und Hilflosigkeit der kleinen Leute, die den Folgen von Revolution und Gegenrevolution ausgeliefert waren. Rögeles Arbeiten über Allerheiligen gehen ebenfalls auf diese in Mittelbaden verbrachte Zeit zurück.
In der Lebensgeschichte des Pfarrektors Franz Josef Herr von Kuppenheim (1778-1838) fand Rögele einen Forschungsgegenstand, der ihn aus politischen wie menschlichen Gründen gleich stark faszinierte. Die Biographie erschien 1928 als Festgabe zum hundertjährigen Bestehen des Erzbistums Freiburg, in dessen schwierigen Aufbaujahren Herr eine wichtige Rolle spielte. Herr galt als „natürlicher Sohn“ Karl Friedrichs von Baden, war in seiner Jugend bei Hofe wohlgelitten und trug schwer daran, daß er nach dem Tod des Großherzogs an Einfluß einbüßte. Gegen die staatskirchenrechtlichen Maßnahmen der Regierung konnte er sich nicht wirklich durchsetzen. Als Abgeordneter von Baden-Baden zog er in die Zweite Kammer ein, wo er durch Charakter, Witz und Rednergabe großes Ansehen erlangte. Wenn er in seinem Hauptanliegen, der größeren Freiheit der Kirche gegenüber dem Staat, doch letztlich scheiterte, so lag dies an der geringen Kompetenz, die dem Parlament zugestanden war, aber wohl auch an der durch die Affaire um Kaspar Hauser überschatteten Konstellation der badischen Hauspolitik.
Gleichfalls zur Geschichte des Übergangs vom Absolutismus zur Aufklärung und zur südwestdeutschen Kirchenpolitik jener Zeit gehört der hochbegabte, ehrgeizige Heinrich von Brentano, dem Rögele eine verständnisvolle, zugleich scharf charakterisierende Studie widmete. Durch eine Stuttgarter Hofintrige um das ihm versprochene Amt des ersten Bischofs für das württembergische „Landesbistum“ gebracht, wartete Brentano, der sich in Löffingen als Verbannter fühlte, dort vergeblich auf eine neue Chance in Freiburg. Rögele konnte vom benachbarten Rötenbach aus die Bestände des Pfarrarchivs in Löffingen auswerten.
In den gut drei Jahrzehnten des Pfarramts in Rötenbach vertiefte sich Rögele in die Geschichte dieses Dorfes auf der Grenzlinie zwischen Schwarzwald und Baar. Seit 1910 war er auch als Konservator der Kunst- und Altertumsdenkmäler für Neustadt, Bonndorf und Sankt Blasien bestellt. Als erster wies er auf die bedeutende Rötenbacher Hinterglasmalerei hin, die in Zusammenhang mit den anderen (Kunst-) Handwerken (Uhrmacherei, Schneflerei, Schildmalerei) entstanden war und zwischen 1780 und 1870 eine Blütezeit erreichte. Es gelang ihm, Datierungen und Zuweisungen vor allem zu Mitgliedern der Malersippe Winterhaider ausfindig zu machen, die der kunstwissenschaftlichen Forschung bis heute als Ausgangsbasis dienen. (Vgl. P. Assion, G. Hahner). Als erster machte Rögele die Öffentlichkeit auf die künstlerische und religiöse Bedeutung der Rötenbacher Hinterglasmalerei aufmerksam.
Der Plan einer geschichtlichen Ortsbeschreibung Rötenbachs, die von den Flurnamen bis zum Weltkrieg reichen sollte, ließ sich nicht verwirklichen, obwohl Rögele unermüdlich Material aus Archiven zusammentrug und der mündlichen Überlieferung, von der er weit mehr hielt, als dem damaligen Zunftbrauch entsprach, große Aufmerksamkeit schenkte. Seine besondere Zuneigung galt den Bauern, den Originalen, den Sinnierern und Kunsthandwerkern im Dorf. Nur Fragmente sind im Druck erschienen. Als der Nationalsozialismus an die Macht kam, verstummte der Chronist.
Rögele tat sich nicht leicht mit dem Leben, nicht mit sich selber und nicht mit seinen Pflichten als Seelsorger. Schon im Studium wurde er von Zweifeln bedrängt. In vorgerücktem Alter grübelte er darüber nach, was er falsch gemacht, wo er zu wenig getan haben könnte. Daß auch „sein“ Dorf, dem er seine ganze Liebe geschenkt hatte, nach 1933 in den Strudel der Diktatur mitgerissen wurde, verwand er nicht. Aus der Politik hatte er sich ferngehalten; die großen Verdienste des badischen Zentrums um Kirchenfreiheit und Demokratie erkannte er wohl an, verübelte ihm aber seine „kleindeutsche“ Politik in der Bismarck-Zeit. Über Hitler hatte er sich früher als andere ein klares Bild verschafft. Er sah die Katastrophe kommen und zog sich immer mehr in seine eigene Welt zurück.
Die Nationalsozialisten wußten, daß sie Rötenbach nicht ganz in ihren Händen hatten, solange Rögele dort wirkte. Sie suchten mit allen Mitteln, seinen Einfluß zurückzudrängen, sperrten die vertraglichen Leistungen der Gemeinde für die Kirche, unterdrückten die Vereine, namentlich die Jugendarbeit, verjagten die Ordensschwestern aus der Kinderschule und übergaben diese der „NS-Volkswohlfahrt“. Es kam zu einer geräuschvollen Demonstration der Mütter, der Konflikt ließ sich nicht verheimlichen und wurde zu einer Prestigefrage für die Parteiführung. Die Kirchengemeinde erhob Klage vor dem ordentlichen Gericht und führte sie durch alle Instanzen. Der Pfarrer, schon schwer herzleidend, wich nicht zurück, bezahlte aber mit seiner Gesundheit. Wenige Monate nach seinem Tod entschied das Reichsgericht den Prozeß zu Gunsten der Pfarrgemeinde.
Wie Rögele seine Lebensarbeit als Priester, Historiker und Heimatforscher verstand und als Ganzheit erfuhr, ist seinem kurzen Aufsatz „Heimatkunde“ (1921) zu entnehmen. Was er dort schrieb, hat er gelebt.
Werke: E. Volksheld in schwerer Zeit. Johann Georg Pfaff, Kreuzwirt in Kürzell 1769-1840, Freiburg i. Br., 1913; Dr. Heinrich von Brentano, Geistl. Rat u. Apostol. Vikar, in: FDA 42, 1914, 189-296; Aus dem polit. Leben d. Stadt Löffingen 1820-1830, in: Mein Heimatland, 5, 1918, 50-58; Das Erdbeben im Jahre 1756, in: Die Ortenau 8, 1921, 69; Heimatkunde, in: Mein Heimatland, 8, 1921, 14-23; Das Kunstgewerbe zu Rötenbach, in: Heimatblätter (Beil. z. Echo v. Hochfirst) 5, (1921), 17-18; 6 (1921), 21-22; 7 (1922), 26-27; 8 (1922), 32; 9 (1922), 33-34; Neustadt i. Schw.; Das Wirtsgewerbe zu Rötenbach in früherer Zeit, in Heimatblätter (Beil. z. Echo v. Hochfirst) 12 (Juni) und 13 (Juli) 1922, Neustadt i. Schw.; Schwarzwälder Volkskunst, in: Bruchsaler Wochenblatt (Beil. z. Bruchsaler Bote) vom 3. 9. 1922; FS z. Ausstellung d. Rötenbacher Hinterglasmalerei vom 12.-26. Juli 1925 anl. d. Volkstages auf dem Wartenberg, Donaueschingen 1925; Dr. Valentin von Schwab, f. f. geh. Rat u. Hofkanzler zu Donaueschingen u. Landvogt zu Wolfach 1732-1809, in: Die Ortenau, 13, 1926, 80-91; Die Rötenbacher Hinterglasmalerei, in: Monatsblätter d. Bad. Schwarzwaldvereins 30,3 (1927), 21-25, 6 Abb.; Säkularisation u. Untergang d. Klosters Allerheiligen, in: FDA 54, 1926, 326-374; Franz Josef Herr, Pfarrektor in Kuppenheim 1778-1837, Karlsruhe, 1927.
Nachweis: Bildnachweise: Foto StAF, Bildnissammlung.

Literatur: Engelbert Krebs u. Franz Vetter, K. Rögele, in: FDA 41, 1941, 13; Ulrich von Hehl, Priester unter Hitlers Terror. Veröffentl. d. Komm. f. Zeitgesch. Reihe A, Band 37, Mainz, 1984, 463; Joachim Morat u. a., Chronik von Rötenbach, Friedenweiler-Rötenbach, 1987, 39-41, 53-56; Gudrun Hahner, Hinterglasmalerei im Schwarzwald, Bd. 45 d. Veröffentl. z. Volkskunde u. Kulturgeschichte, Würzburg 1990, 12-16; Peter Assion, Schwarzwälder Hinterglasmalerei, in: BH 72 (1992), 485-508. Schwarzwälder Hinterglasmalerei (AKat.), Freiburg, 1992; Gudrun Hahner u. Hans Jesserer, Hinterglasbilder aus dem Schwarzwald, Blaubeuren 1994.
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