Schneider, Hans 

Geburtsdatum/-ort: 06.11.1913;  Weil am Rhein
Sterbedatum/-ort: 23.12.2002;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Journalist und Buchautor
Kurzbiografie: 1920–1928 Volksschule Weil am Rhein
1928–1935 Buchdruckerlehre in Lörrach-Stetten; berufliche Tätigkeit; weiterbildende Kurse in Basel; seit 1933 freier Mitarbeiter bei d. „Basler National-Zeitung“ (NZ)
1935–1936 Besuch d. Reichspresseschule Berlin, dann Aufenthalt in Barcelona
1936–1939 Tätigkeit als Buchdrucker
1939–1945 Kriegsteilnehmer
ab 1946 freier Mitarbeiter bei d. BZ Freiburg; 1946 bis 1990 auch bei d. Basler NZ u. seit 1977 bei d. „Basler Ztg.“
1947ff. Mitarbeiter beim SWF-Landesstudio Freiburg, Initiator des Freiburger Presseballs (1967); Leiter d. Redaktion des „Gastlichen Freiburg“, später Kulturmagazin „Freiburg-aktuell“ (1968–1993); Mitbegründer, später Ehrenvorsitzender des Sozialfonds d. Presse in Freiburg u. Umgebung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Hebeldank (1985); Otto-Ernst-Sutter-Medaille d. Stadt Gengenbach (1987); Silbernes Stadtsiegel d. Stadt Freiburg (1988); Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens d. Bundesrepublik Deutschland (1994)
Verheiratet: I. 1938 (Weil am Rhein) Johanna, geb. Hemmer (1914–1993), 1944 gesch.;
II. 1958 (Freiburg im Br.) Susanne, geb. Weber (1923–2001)
Eltern: Vater: Kilian (1877–1947), Eisenbahnarbeiter
Mutter: Anna Maria, geb. Bühler (1876–1960)
Geschwister: Maria (1907–1985)
Kinder: aus I. eine Tochter
GND-ID: GND/120058189

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 375-377

„Einer wie J. P. Hebel in unserer Gegend zu Hause und der doch weltweit denkt, orientiert und berichtet“ – diese in der Laudatio anlässlich des 1985 verliehenen Hebeldankes gesprochenen Worte treffen auf Schneiders Bedeutung als Buchautor und Journalist im alemannischen Sprachraum zu. Er selbst sprach gern davon, dass er einem Bauern- und Handwerkergeschlecht entstammte, dessen Ursprünge sich bis in das frühe 15. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Doch neben dem Stolz auf eine lange Familientradition ging es ihm weit mehr um ein Bekenntnis zu seiner an der unmittelbaren Nahtstelle Badens und der Schweiz gelegenen Heimat, in der er auch durch verwandtschaftliche Bande über die nationalen Grenzen hinweg tief verwurzelt war. Schneider verkörperte das Lebensgefühl einer Region: der Südwestecke Deutschlands in ihrer Verbundenheit mit der Schweiz und dem Elsass.
Nach der Volksschule machte Schneider in der damals bekannten Lörracher Offizin Auer eine Buchdruckerlehre. Als Folge seiner frühen Begegnung mit Hermann Burte und anderen Schriftstellern des Wiesentals reifte in ihm schon damals der Plan, sich selbst einmal journalistisch zu betätigen. Daher besuchte er seit den frühen 1930er-Jahren im benachbarten Basel verschiedene Kurse und Lehrgänge zu seiner Weiterbildung und schrieb etwas später auch für die „Basler NZ“ Berichte über Ereignisse in der badischen Nachbarschaft. Es spricht für das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Redaktion und Schneider, dass man ihn nach 1933, nachdem der Vertrieb der Nationalzeitung als einer der ersten ausländischen Zeitungen im Deutschen Reich verboten wurde, unter einem Pseudonym um Berichterstattung aus dem deutschen Grenzgebiet bat.
Im Zuge der seit 1933 erfolgten „Gleichschaltung“ hatten die neuen Machthaber auf eine institutionelle Presselenkung hingewirkt und zu diesem Zweck 1934/35 die Reichspresseschule in Berlin eröffnet. Da Schneider schon damals ein klares Berufsziel vor Augen hatte, hat er sich dort um Aufnahme beworben, ohne sich zu jenem „neuen Typ des Journalisten“ machen zu lassen, den sich die Nationalsozialisten von dieser Einrichtung erhofften; denn noch im selben Jahr ging er nach Barcelona, von wo aus er weiterhin für die NZ schrieb und Kontakte zu Emigranten, meist Juden, unterhielt. Nach Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges kam er nach Freiburg, wo er wenig später wegen seiner Tätigkeit im Ausland einem Verhör durch die Gestapo unterzogen und als Journalist mit einem regelrechten Berufsverbot belegt wurde. Zeitweilig fand er eine Anstellung in seinem erlernten Beruf; unter strenger Wahrung seiner Anonymität berichtete er weiterhin für die NZ.
Bereits am Beginn des II. Weltkrieges wurde Schneider zum Heeresdienst eingezogen. Er stand in der 2. Kriegshälfte an der Ostfront, erlebte die Kapitulation in der Tschechoslowakei, konnte sich aber dort durch eine abenteuerliche Flucht der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entziehen und schon im Spätjahr 1945 nach Freiburg zurückkehren. Hier fand er Arbeit bei Heinrich Rombach, mit dem er in den Kriegstagen demselben Druckereizug zugewiesen war, und konnte so am Aufbau der BZ mitwirken. Im Sommer 1946 nahm er erneut Verbindung mit der NZ auf und war in der unmittelbaren Nachkriegszeit der einzige Journalist, der von deutscher Seite in einer schweizerischen Zeitung von internationaler Bedeutung über das Geschehen und die Entwicklung in der französischen Zone Badens schrieb. Dabei hatte er Gelegenheit, über die katastrophale Lage zu berichten und so den Lesern die ganze Not und das Elend im Nachkriegsdeutschland lebendig vor Augen zu führen. Auch die „Neue Zürcher Zeitung“ hat von ihm mehrfach Berichte übernommen. Bis Ende der 1970er-Jahre war Schneider bei der „Basler Zeitung“ der einzige Korrespondent aus dem deutschen Südwesten und blieb ihr auch weiterhin als freier Mitarbeiter verbunden.
Größere Bedeutung im südlichen Oberrheingebiet erhielt Schneider jedoch durch seine jahrzehntelange Tätigkeit bei der BZ. Schon im September 1945 hatte er an den vom Verlag Rombach herausgegebenen „Freiburger Nachrichten“ mitgearbeitet. Er half bei der Instandsetzung der aus dem Trümmerschutt geborgenen Druckmaschine mit und war dabei, als die erste Ausgabe der BZ in der Nacht zum 1. Februar 1946 über diese Rotation lief. Kontinuierlich hat er sich hier mit Beiträgen zum heimischen Brauchtum und zur Wirtschaft im Lokalteil und in der Landesumschau beteiligt. Besonders erwähnenswert mag seine zwischen 1976 und 1995 in 14-tägigen Abständen geschriebene Mundartspalte „landuff, landab“ sein, in der er unter dem Pseudonym „Dengelegeischt“ das Zeitgeschehen in der Region glossierte. Die Einführung dieser Spalte ist im Zusammenhang mit der Aufwertung des Dialekts zu sehen, welche die Anti-AKW-Bewegung um Wyhl wie auch an anderen Orten mit sich brachte. Als „Glopfgeischt“ hatte er schon zwischen 1965 und 1971 das aktuelle Freiburger Stadtgeschehen in der Anzeigenzeitung „Freiburger Wochenbericht“ glossiert.
Noch stärkere Breitenwirkung erzielte Schneider im Rundfunk; seine Tätigkeit beim Landesstudio Freiburg des Südwestfunks setzte bereits 1947 ein. Zunächst wirkte er einige Jahre an der alemannischen Mundartserie „Der Alemannische Landbote“ mit, auf die zu Beginn der 1950er-Jahre die Sendereihe „Auf ein Wort, Herr Nachbar“, gleichfalls unter Schneiders Mitwirkung, folgte. Diese beliebte, zum größeren Teil aus Glossen bestehende Reihe konnte sich nahezu zwei Jahrzehnte zu einer denkbar privilegierten Sendezeit, „sonntags nach dem Zwölfuhrläuten des Freiburger Münsters“, behaupten. Auch in der Reihe „Los emol“, die Schneider von 1988 bis 1998 am Samstagmorgen in SWR 4, Radio Breisgau, sprach, glossierte er zumeist Ereignisse aus Freiburg und der näheren Umgebung.
Seinen eigenen Angaben zufolge war Schneider bei ungefähr 400 Hörspielen und Features als Sprecher beteiligt; er selbst hat einige Hörspiele, auch in alemannischer Sprache, geschrieben. Dokumentiert ist seine Mitwirkung in einigen regionalen Fernsehfilmen sowie in der Reihe „Familie Himmelsbach“, die in den 1980er-Jahren lief.
Mit Blick auf seine geographische Herkunft scheint es nur folgerichtig, dass Schneider beim Kampf um die Neugliederung im deutschen Südwesten (1949/52) Position für die Wiederherstellung Badens bezog. Dieser Option fühlte er sich vor allem emotional verbunden, sah aber hier auch, nicht weniger als Leo Wohleb, eine reale Chance, dieses Land aus seiner jahrhundertelangen Grenzlage herauszuführen und in eine zukünftige europäische, wirtschaftlich starke und stammesverwandte Oberrheinregion einzubinden.
Als Presse- und Rundfunkmann hat sich Schneider immer auch in den Dienst der Wirtschaft und des kulturellen Lebens in der Region gestellt. Er war Mitbegründer des Freiburger Presseballs (1967) wie auch des „Sozialfonds der Presse in Freiburg und Umgebung“, der zur Unterstützung von in Not geratenen Journalisten gegründet wurde. In den Jahren 1968 bis 1993 war er Leiter der Redaktion des „Gastlichen Freiburg. Mitteilungsblatt des Verkehrsvereins“, später unter dem Namen „Freiburg aktuell“ weitergeführt. Einen Beitrag zur Regionalgeschichte wie auch zur Förderung des modernen Tourismus leistete er, durch den Verlag Rombach unterstützt, mit den teilweise mehrsprachig verlegten Veröffentlichungen seiner Bildbände über Freiburg, den Breisgau und den Schwarzwald, mit den beiden Bändchen über das Stadtgeschehen zwischen 1945 und 1986 unter dem Titel „Freiburger G’schichten“ und durch seine „Schwarzwald – Kalender“, die er viele Jahre lang im Eigenverlag herausgab.
Unter den öffentlichen Ehrungen, die Schneider zuerkannt wurden, hat ihn vor allem der „Hebeldank“ mit Stolz erfüllt, der ihm beim „Schatzkästlein“ des Jahres 1985 verliehen wurde; denn wie mit keinem anderen Preis erfuhr hier seine Kompetenz bei der Pflege des alemannischen Schrift- und Brauchtums im Geiste Johann Peter Hebels ihre Würdigung. Anlass zu nicht geringerer Freude war für ihn die auf Vorschlag des Sozialfonds der Presse erfolgte Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Anerkennung seines jahrzehntelangen journalistischen und schriftstellerischen Wirkens und seines Einsatzes für die Zusammenführung der Menschen in den drei Ländern des alemannischen Sprachraums auf der Grundlage ihres gemeinsamen Dialekts, der Toleranz und des gegenseitigen Verständnisses.
Körperlich zwar geschwächt war Schneider geistig rege und konnte bis ins hohe Alter gleichsam aus der doppelten Kraftquelle, seiner starken Heimatverbundenheit und Weltoffenheit, schöpfen. Stets ein bescheidener und genügsamer Mensch, hatte er sich angesichts der fortschreitenden Minderung seiner Sehkraft besonders gern die Kalendergeschichte des „Kannitverstan“ vorlesen lassen, die nicht nur eindrucksvoll die Vergänglichkeit des Lebens lehrt, sondern auch im Angesicht des Todes jedermann zu einem Leben in Zufriedenheit mahnt. Schneider starb im 90. Lebensjahr.
Quellen: Nachlass Hans Schneider bei Wolfgang Fiek, Freiburg; A des Hebelbunds Lörrach e.V.; Mitteilungen von Wolfgang Fiek vom April 2008 sowie von Albert Vögtlin, Weil am Rhein, des SWR Studios Freiburg, des Freiburger Wochenberichts u. des Standesamtes Weil am Rhein, alle vom Juni 2008.
Werke: Impressionen – Freiburg im Br., 1970 bis 51987; 75 Jahre Bauverein Freiburg im Br. e. G., 1974; Freiburger G’schichten. Bericht aus einer kleinen Großstadt, Bd. 1, 1945–1970, Bd. 2, 1971–1986, 1985 u. 1986 (als Sonderausgabe anlässlich des Stadtjubiläums 875 Jahre Freiburg im Br., 1995); Impressionen – Breisgau – Hochschwarzwald, 1986; Bürgerverein Freiburg-St. Georgen (Hg.), Vom Dorf zum Stadtteil. St. Georgens Eingemeindung in die Stadt Freiburg im Br., 1988; (zusammen mit K.-H. Raach u. W. Fiek) Freiburg im Br., 1990; (zusammen mit H.-W. Karger u. W. Fiek, Freiburg im Br. an d. Jahrtausendwende, 1995).
Nachweis: Bildnachweise: BZ vom 9.6.1987, 18 u. vom 6.11.2004; PZ Europa Nr. 78, 1994, 24 u. Freiburger Wochenbericht vom 8.1.2003, 16.

Literatur: K. H., Hans Schneider – Der Rest d. Welt lebt schlechter, in: PZ Europa Nr. 78, hgg. von d. Bundeszentrale für Polit. Bildung Bonn, 1994, 24; H. D. Popp, Die Sprache ist u. war sein Handwerkszeug. Bundesverdienstkreuz am Band für den Journalisten Hans Schneider, in: BZ vom 26.4.1994, Lokalteil, 2; W. Müsse, Die Reichspresseschule – Journalisten für die Diktatur? Ein Beitrag zur Geschichte des Journalismus im Dritten Reich, 1995, 82-102; U. R. Bonde, Hans Schneider †, in: St. Georgener Bote. Lokales, Nachrichten- u. Anzeigenblatt Stadtteil Freiburg-St. Georgen Nr. 1, 2003, 2; G. Ebi, Hans Schneider †, in: Freiburg aktuell. Nr. 2 vom Februar 2003, 15; W. Fiek, Hans Schneider ist gestorben, in: Freiburger Wochenbericht vom 8.1.2003, 4; R. Lessner, Er verkörperte das Lebensgefühl am Oberrhein. Journalist u. Buchautor Hans Schneider in Freiburg verstorben, in: BZ vom 8.1.2003, 16; mme (d. i: Monika Merstetter), Er war d. „gute Geist“ d. regionalen Journalistenszene, in: BZ, Regionalausgabe Weil am Rhein, Nr. 258 vom 6.11.2004, Lokalteil Weil am Rhein, 1.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)