Schmid, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 19.12.1872;  Weiterdingen
Sterbedatum/-ort: 21.08.1915; Gebweiler/Elsaß
Beruf/Funktion:
  • Handelsgärtner, MdR u. MdL-Nationalliberale Partei
Kurzbiografie: 1879–1887 Volksschule in Binningen, anschließend Realschule in Thayngen/CH
1887 Klosterschule Beuron mit dem Ziel, Geistlicher zu werden, bald Flucht wegen zu strenger religiöser Zucht
1889–1891 Lehre als Gärtner in einer Singener Gärtnerei
1893–1895 Militärdienst beim 114. Infanterie-Regiment in Konstanz, anschließend Wanderschaft in die Schweiz u. nach Frankreich; Besuch d. Höheren Lehranstalt für Gartenbau in Köstritz/Thüringen
1896 Silberne Rettungsmedaille für die Rettung eines Ertrinkenden am 10.9.1895
1900 Gartenbaumeister; Kauf eines Grundstückes an d. Singener Hauptstraße u. Einrichtung einer Kunst- u. Handelsgärtnerei
1906 Wahl in den Bürgerausschuss
1908–1912 Mitglied des Singener Gemeinderates
1909–1913 MdL-Nationalliberale (NL)
1909 Gestaltung des Singener Stadtgartens nach Plänen Schmids
1911–1912 MdR-NLP
1914 Einberufung als Vizefeldwebel in einer Armierungseinheit im Elsaß
1915 VIII. 15 Lungensteckschuss, Feldlazarett in Gebweiler/ Elsaß
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1901 (Singen) Theresia, geb. Wenger (1878–1953)
Eltern: Vater: Isidor (1833–1887), Müller u. Landwirt
Mutter: Maria Usula, geb. Mayer (1832–1911)
Geschwister: 8; Friedrich (1860–1933), Sofie (1863–1942), Anton (1873–1953) sowie 5 weitere, im Kindesalter verstorben
Kinder: 7; Anna (* 1901), Luise (* 1902), Emma (* 1904, als Kind verstorben), Hermann (* 1905), Hilda (* 1907), Emma (* 1910) u. Ursula (* 1913)
GND-ID: GND/13424477X

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 341-344

Schmid wurde auf dem Seeweiler Hof in Weiterdingen geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Binningen und der Realschule in Thayngen wechselte er 1887 auf die Klosterschule Beuron, wo er auf den geistlichen Stand hatte vorbereitet werden sollen, jedoch schon bald Probleme mit der strengen klösterlichen Disziplin empfand und aus dem Kloster ausbrach.
In einer Singener Gärtnerei erlernte er nun seinen Beruf, bevor ihn erst einmal der Militärdienst nach Konstanz und schließlich seine Wanderschaft u. a. in die Schweiz und nach Frankreich führte. Danach vertiefte Schmid seine fachliche Ausbildung auf der Höheren Lehranstalt für Gartenbau in Köstritz/Thüringen und wurde Gartenbaumeister.
Im Jahr 1900 wurde Schmid in Singen sesshaft, als er von der Witwe des Altbürgermeisters Buchegger ein Grundstück an der Singener Hauptstraße gekauft und dort seine Kunst- und Handelsgärtnerei eingerichtet hatte. In beruflicher Hinsicht hat sich Schmid 1909 in Singen auch durch die Anlage des Stadtgartens auf der Aachinsel verdient gemacht.
Schon drei Jahre vorher, 1906, im Alter von 34 Jahren, begann die politische Karriere Schmids. Zuerst wurde er in den Bürgerausschuss gewählt, 1908 in den Gemeinderat. Nicht uninteressant erscheint die Feststellung, dass der Katholik Schmid zu Anfang seiner politischen Laufbahn sowohl vom Zentrum als auch den Nationalliberalen umworben wurde. Wenn er sich den Liberalen angeschlossen hat, so mag dies wohl eher in seinen bisherigen Lebensweg passen. Er hatte übrigens auch mehrfach Vorbehalte gegenüber dem Einfluss von Geistlichen auf die Tagespolitik geäußert.
1909 kandidierte Schmid erstmals im 5. Wahlkreis, Singen-Engen, für die II. Kammer der Badischen Landstände. Er setzte sich auf Anhieb gegen den bisherigen Mandatsinhaber Robert Gießler vom Zentrum durch. Der emotional stark aufgeladene Wahlkampf kann nur verstanden werden vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen „Großblock“ und kath. Zentrum. Nachdem aufgrund der Wahlrechtsreform des Vorjahres 1905 im ersten Wahlgang eine absolute Landtagsmehrheit des Zentrums in greifbare Nähe gerückt war, hatten für die Stichwahlen sämtliche liberale Parteien mit der SPD ein Wahlabkommen geschlossen. Das war der Anfang des sog. „Großblocks“. Dieses vor allem durch die gemeinsame Frontstellung gegen das Zentrum motivierte Wahlabkommen wurde 1909 auch auf die Hauptwahlen ausgeweitet. Während des Wahlkampfes 1905 attackierten Schmid und die liberalen Singener Nachrichten das Zentrum überaus scharf, beispielsweise mit dem Vorwurf, die kath. Partei sei durch ihre Mitwirkung an der Reichsfinanzreform für die Erhöhung der indirekten Steuern auf Tabak, Streichhölzer, Branntwein und Kaffee verantwortlich, habe „Verräterei am Volkswohl“ (Singener Nachrichten, 16. 10. 1909) begangen. Persönliche Angriffspunkte für Schmid bot auch der in Mannheim tätige Landgerichtsdirektor Gießler, der bisherige Abgeordnete des Wahlkreises. Der „Auswärtige“ vertrete die Interessen des Wahlkreises nicht mit dem notwendigen Nachdruck und setze sich viel zu wenig für Singen, dafür aber für die Interessen der Nachbarstadt Radolfzell ein. Deutlich sei dies 1908 anlässlich eines Eisenbahnunfalls geworden, bei dem zwei Eisenbahner zu Tode gekommen waren. Gießler habe es trotz erhöhten Verkehrsaufkommens versäumt, sich für den Um- und Ausbau des Singener Bahnhofs einzutreten. Schmid empfahl sich so den Wählern als „einheimischer Vertrauensmann“ und legte ein umfangreiches Programm zur Stärkung der lokalen Infrastruktur vor. Als Abgeordneter wollte er „die Beseitigung der Bahnhofsmissstände in Singen“ (Gailinger Tagblatt, 20. 10. 1909), den Bau der Randenbahn von Singen über Beuren nach Tengen, den Bau der Höribahn und deren Fortführung über Singen bis Aach durchsetzen. Auch sollten in Singen ein zweites Notariat, ein Amtsgericht und schließlich ein Bezirksamt angesiedelt werden. Den linksliberalen und sozialdemokratischen Wählern, auf deren Unterstützung er angewiesen war, empfahl sich Schmid durch das Versprechen, auch die Interessen der Arbeiter zu fördern und für eine Erhöhung des Gehalts der Volksschullehrer einzutreten. Schließlich forderte er, die Kreisordnung im fortschrittlichen Sinne zu reformieren und das direkte und gleiche Gemeindewahlrecht einschließlich der Verhältniswahl einzuführen.
In den folgenden vier Jahren hat Schmid tatsächlich mit einigem Erfolg die Belange seiner Heimatstadt im Karlsruher Rondell vertreten. Er erreichte Um- und Neubauten am Bahnhof und konnte mit Stolz darauf verweisen, dass zehn Gemeinden seines Wahlkreises „Staatsbeiträge zu Schulhäusern und Wasserleitungen von über 40 000 Mark erhalten haben“ (Singener Nachrichten, 14. 10. 1913). Außerdem reklamierte er Gehaltserhöhungen für die Beamten- und Angestellten des öffentlichen Dienstes in Singen als seine Erfolge, nachdem auf seine Anregung hin die Stadt in eine höhere Ortsklasse des Wohngeldtarifes eingestuft wurde. Von den Infrastrukturprojekten wurde der Bau der Randenbahn realisiert. Allein die Forderung, ein Amtsgericht in Singen zu schaffen, stieß insbesondere in Engen und Radolfzell auf Widerstand, mussten doch die dortigen Gerichte um ihre Existenz fürchten. Erst 1929 kam es zur Gründung des Amtsgerichts in der Hohentwielstadt. Trotz all dieser Einzelerfolge im Kampf für die Belange seiner Heimatstadt fiel Schmid bei den Landtagswahlen 1913 gegen den Zentrumskandidaten Graf durch.
Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreichte Schmid, als er im Herbst 1911 bei den Nachwahlen im 1. bad. Reichstagswahlkreis als Nachfolger von Friedrich Hug (➝ IV 148) in den Reichstag gewählt wurde.
Nachdem die Nationalliberalen gerade in den kath. Landgemeinden Südbadens immer mehr an Boden zugunsten der Zentrumspartei verloren und die Landtagswahlen 1909 abermals eine schwere Niederlage gebracht hatten, hatte der neu ernannte Generalsekretär Paul Thorbecke (vgl. S. 400) die Reform der Parteistrukturen in den beiden vorausgegangenen Jahren energisch vorangetrieben. Die Reichstags-Nachwahl 1911 sollte zum Prüfstein für den Erfolg dieser Maßnahmen zur Parteireform werden und beweisen, dass die Nationalliberalen einen mehr als 20 Jahre vom Zentrum verteidigten Wahlkreis zurückerobern könnten. Der Wahlkampf wurde von Thorbecke und Schmid nach „amerikanischem“ Muster (Deutsche Reichspost, 1. 11. 1911) gestaltet und brachte eine bislang nicht gekannte Zentralisierung und Intensivierung liberaler Wahlkampfbemühungen. Hierzu gehörte u. a. der Versand von gleich zwei liberalen Stimmzetteln an alle Wähler. Das resultierte aus einer Eigentümlichkeit der damaligen Wahlorganisation: es gab keinen amtlichen Wahlschein! So sollte das nicht unübliche „Einsammeln“ der Wahlzettel durch die kath. Geistlichkeit neutralisiert werden. Auch die Wahlkampfaufrufe waren speziell auf die Verhältnisse des Wahlkreises zugeschnitten und schließlich wurde die Zustellung von liberalen Blättern auf Kosten der Partei auch auf Abonnenten kath. Zeitungen ausgedehnt. Bei seinem Wahlkampf erfreute sich Schmid auch der Unterstützung prominenter Redner aus Reichs- und Landtag sowie von gleich drei Parteisekretären und am Wahltag holten „Schleppdienste“ die Wähler mit Autos und Kutschen, ggf. auch mit dem Boot, ab und geleiteten sie bis zur Wahlurne.
Der so unter erheblichem personellem und finanziellem Aufwand errungene Erfolg im November 1911 konnte jedoch schon bei der nächsten regulären Wahl des Reichstages, im Frühjahr 1912, nicht wiederholt werden. Schmid fehlte jetzt auch die Unterstützung anderer prominenterer Abgeordneter, die sich selbst zur Neuwahl stellen mussten. Wenn auch denkbar knapp unterlag er gegen den populären Radolfzeller Landwirt Carl Diez (BWB IIII 32). Dass Schmid im Reichstag keinerlei Wirkung hatte entfalten können, liegt auf der Hand; er hat nur an einer Sitzungswoche teilgenommen.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Reichs- und Landtag hat Schmid weiter in der Singener Kommunalpolitik gewirkt, war im Bürgerausschuss, in zahlreichen städtischen Kommissionen und Mitglied des Verwaltungsrates der Bezirkssparkasse. Beim Beginn des I. Weltkrieges wurde er eingezogen und einer Armierungseinheit im Elsaß zugeteilt. Im zweiten Kriegsjahr fiel er in seinem 43. Lebensjahr.
Quellen: StadtA Singen Nachlass Hermann Schmid (intus: Zeitungsartikel, Korrespondenzen, Stammbäume u. Fotos); Amtliche Berichte über die Verhandlung d. Bad. Ständeversammlung, II. Kammer, 1909–1913; Singener Nachrichten, einschl. d. Nebenausgabe Gailinger Tagblatt, Jgge. 1909–1913.
Werke: Die Singener Amtsgerichtsfrage im Bad. Landtag, 1913; Meine Rechtfertigung, in: Singener Nachrichten vom 13.–21. 10. 1913.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Singen, Nachlass Hermann Schmid; Berner, 1979, 23 (vgl. Quellen u. Literatur).

Literatur: Neue Konstanzer Abendzeitung vom 18. 9. 1911, Verleihung d. silbernen Rettungsmedaille; Joseph Schofer, Friedrich Hug, d. Kämpe vom Bodensee, 1928; Joh. Stehle, Geschichte d. Exklave Bruderhof u. d. Hohentwieler Waldungen, 1973, 389–391 u. 442; Siegfried Möbius, Die Entstehung d. Stadtgärtnerei u. ihre Entwicklung zum Garten- u. Friedhofsamt, in: Singener Jahrb. 1976, 29–52; Jürgen Thiel, Die Großblockpolitik d. nationalliberalen Partei Badens 1905 bis 1914, 1976; Fred Ludwig Sepaintner, Die Reichstagswahlen im Großherzogtum Baden, 1982; Herbert Berner, Hermann Schmid (1872–1915), in: Singener Jahrb. 1979, 22–39; Emil Greulich, Wie Singen ein Amtsgericht bekam, in: Singener Jahrb. 1979, 57–77; Mark Willock, Die Nationalliberale Partei in Baden 1905–1913, in: Jahrb. d. Hambach Gesellschaft 9, 2001, 71–188; Bernd Haunfelder, Die liberalen Abgeordneten des Dt. Reichstages 1871–1918: Ein biogr. Handbuch, 2004, 358.
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