„der Abscheulichste aller Winde“

Georges Cuviers Wanderung über die Schwäbische Alb - Tag 4

Bis Münsingen hatten es unsere tapferen Wanderer um Georges Cuvier schon geschafft. Dann pustete am vierten Tag der Wanderung der Albwind richtig los: Für Cuvier war es „der Abscheulichste aller Winde die ich je empfunden“!

Kein Wunder, dass Cuvier an diesem Tag hauptsächlich darüber schrieb: Von Schloss Grafeneck habe man zwar eine schöne Aussicht, die Lage sei jedoch aufgrund des Windes „nichts weniger als angenehm“. Das Gestüt Marbach zeuge zwar vom hohen Stellenwert der Pferdezucht in Württemberg – es sei auf der Alb aber auch sehr gut aufgehoben, da Pferde ja ursprünglich aus den kalten Steppen Zentralasiens stammten.

Die Mittagspause an der Lauterquelle im Garten des ehemaligen Klosters Offenhausen, brachte ein wenig Erleichterung, da man dort geschützt war. Am Nachmittag ging es jedoch ungemütlich weiter: „Immer Albklima, Albäcker, Albbäume und öfters, als ich gewünscht hätte, Albwind.“

Erst der Abstieg von Holzelfingen ins Tal nach Pfullingen brachte eine klimatische Veränderung und Cuvier freute sich, als er blühende Bäume und Weinberge erspähte. Leider folgte bald ein heftiger Regenguss und Pfullingen schien unerreichbar. Als die jungen Männer jemanden fragten, wie weit es noch sei, lautete die Antwort: eine Viertelstunde. Doch als die Viertelstunde vorbei war und sie einen anderen Passanten fragten, hieß es wieder: Eine Viertelstunde. Und so weiter und so fort: „Es gieng dieser Stadt wie deren Feenschlößern, welche vor denen, die sie suchen, fliehen.“

Ob die Wanderer an diesem Abend Pfullingen noch erreichten? In unserem Artikel Georges Cuviers Wanderung über die Schwäbische Alb – Tag 4 erfahren Sie es – und Sie können nachlesen wie einfallsreich Cuvier den ganzen Tag über den Albwind schimpfte. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre!

Bild: Der raue Albwind unter Schloss Grafeneck, Zeichnung von Georges Cuvier, 1788 [Quelle: Bibliothèque de l’Institut, Ms 3312: Papiers et correspondance du baron Georges Cuvier. Planches relatives à un voyage à pied fait dans les Alpes würtembergeoises du 20 au 28 avril 1788 par Cuvier, Copyright: ©Bibliothèque de l’Institut de France]

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Der Maler Anton Alexander von Werner

9. Mai 1843 - 4. Januar 1915

Die Kaiserproklamation in Versailles, Fassung von 1882 für die Berliner Ruhmeshalle, 1944 durch Bomben zerstört [Quelle: Wikimedia Commons  https://t1p.de/bqy6]

Die Kaiserproklamation in Versailles, Fassung von 1882 für die Berliner Ruhmeshalle, 1944 durch Bomben zerstört [Quelle: Wikimedia Commons]

Der Maler Anton Alexander von Werner machte sich vor allem während des Kaiserreiches durch seine großformatigen, an fotografischen Darstellungen orientierten Historienbildern einen Namen. Zu den bekanntesten zählen mehrere mit dem Titel „Die Proklamation des deutsche Kaiserreiches“, in denen das Auftreten des preußischen Königs Wilhelm I. als Deutscher Kaiser in Versailles am 18. Januar 1871 festgehalten ist.

Geboren am 9. Mai 1843 in Frankfurt an der Oder, wechselte er 1862 nach zwei Jahren Studium an der Berliner Akademie zur Kunstakademie in Karlsruhe. Hier lehrte unter anderem Johann Wilhelm Schirmer. Über den Dichter Joseph Victor Scheffel kam er mit dem großherzoglichen Haus in Kontakt und über die Großherzogin Luise mit deren Bruder, dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm. An den Erfolgen Scheffels konnte er mit Illustrationen seiner Bücher teilhaben. Ab 1865 hielt sich Werner mehrfach in Paris auf, zunächst als Beauftragter der süddeutschen Staaten während der Weltausstellung von 1867. Die ersten bekannten Historienbilder entstanden, so das Werk „Konradin von Staufen und Friedrich von Baden“. Während einer Studienreise nach Italien 1868/69 lernte er die Mitglieder der deutschen Künstlerkolonie in Rom kennen. Besonders der Kontakt zu Anselm Feuerbach war von bleibender Wirkung.

Der Deutsch-Französische Krieg verhalf Werner zu einem Karrieresprung. Durch großherzogliche Vermittlung wurde er ins Hauptquartier des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm eingeladen und erhielt den Auftrag, die „Proklamation des Deutschen Kaiserreiches“ im Bild festzuhalten. Neben langjährigen freundschaftlichen Kontakten zum Kaiserhaus zählten gesellschaftliche Größen wie Otto von Bismarck und die Familie Pringsheim zu seinem Umfeld. Dementsprechend zahlreich flossen die Aufträge. Auch viele Porträts entstanden. Das bekannteste Werk, „Die Proklamation des deutsche Kaiserreiches“ am 18. Januar 1871 für den Weißen Saal des Berliner Schlosses wurde 1877 zum 80. Geburtstag des Kaisers fertiggestellt. Eine kleinere Version entstand 1882 für die Ruhmeshalle des Berliner Zeughauses und eine von zwei weiteren 1885 für die Familie der Hohenzollern. Das Bild im Schloss fiel 1945 den Luftangriffen zum Opfer. 1883 hatte Werner sein Sedan-Panorama fertiggestellt. Künstlerisch sah er sich als Vertreter einer an der Fotografie orientierten Malerei mit der Möglichkeit, durch Überhöhung und Dramatisierung Wirkung zu erzielen. Er scheute sich jedoch nicht, dem mit ihm befreundeten Adolph Menzel den Vorrang zu geben.

Seit 1874 war Werner Direktor an der neu gegründeten Hochschule für bildende Künste in Berlin. Er behielt die Stelle bis zu seinem Tod, kam aber zunehmend in Konflikt mit Vertretern modernerer Kunstströmungen. Auch seine ablehnende Haltung gegenüber der Zulassung von Frauen wurde bemängelt. Anton von Werner starb am 4. Januar 1915 in Berlin. Mit dem Ende des Kaiserreichs brach in den 1920er Jahre eine neue Ära des Kunstverständnisses an. Heute sind seine Werke als zeitgeschichtliche Dokumente von Bedeutung.

Mehr über die deutsch-französischen Beziehungen finden Sie auf LEO-BW im Artikel »Die Völker haben ein langes Gedächtnis«. Die deutsch-französischen Kriege und die Überwindung der »Erbfeindschaft«

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Der südliche Teil des Kootenay Lake in den kanadischen Rocky Mountains, westlich angrenzend die Darkwoods und andere Gebiete (hier unten), Aufnahme der ISS vom 13. April 2024 aus 260 Meilen Entfernung, Quelle: NASA iss071e007896 auf Wikipedia, gemeinfrei

Der südliche Teil des Kootenay Lake in den kanadischen Rocky Mountains, westlich angrenzend die Darkwoods und andere Gebiete (hier unten), Aufnahme der ISS vom 13. April 2024 aus 260 Meilen Entfernung, Quelle: NASA iss071e007896 auf Wikipedia, gemeinfrei

Die meisten im Ländle kennen den Rotenberg bei Stuttgart mit seiner idyllisch gelegenen Rotunde über dem Neckartal, ehemals Sitz der Stammburg und seit 1824 Grablege des Hauses Württemberg. Weniger bekannt ist der „Wurttemberg“ in British Columbia, der mit über 2350 m über NN ganz andere Ausmaße erreicht. Er befindet sich in den "Darkwoods", dem „kanadischen Schwarzwald“, einem 55.000 Hektar großen Gebiet im Südwesten des Landes, gekennzeichnet durch Wasserreichtum und riesige Bäume eines Kaltregenwalds. Die Winter in den Höhen sind lang und dauern bis zu acht Monaten. In den Niederungen ist Landwirtschaft möglich. 1967, während des Kalten Krieges, hatte Carl von Württemberg die Darkwoods erworben. Nach dem Tod des Vaters 1975 trat er die Nachfolge als Oberhaupt der Familie an. 2008 ging das Gebiet an den Vorbesitzer Kanada zurück. Während der rund 40 Jahre dazwischen wurden die Wälder unter vergleichsweise nachhaltigen Gesichtspunkten bewirtschaftet. Dadurch blieb die Artenvielfalt mit seltenen Tier- und Pflanzenfamilien erhalten. Heute untersteht die Region der Umweltschutzorganisation „Nature Conservancy Canada“ (NCC) und ist eingebunden in verschiedene Forschungsprojekte. Die Natur soll sich so weit als möglich entfalten können. Der Zugang für Touristen wird limitiert. Die ursprüngliche Fläche, etwa das Fünffache des Nationalparks Schwarzwald, wurde 2019 erweitert. Die Darkwoods mit ihren Bergen, Wäldern und Seen bilden heute zusammen mit angrenzenden Naturparks und –schutzzonen ein Gebiet von rund 100.000 Hektar und bieten großzügige Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Hier leben Grizzlys, die seltenen Bergkaribus und etliche Vogelarten. Besondere Anstrengungen gelten der vom Aussterben bedrohten weißstämmigen Zirbelkiefer.

Einen filmischen Eindruck vermittelt Der Schwarzwald in Kanada, verfügbar in der ARD-Mediathek

Carl Herzog von Württemberg (1936-2022) unterstützte zahlreiche karitative, kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen und Projekte. Mehr über seine Person finden Sie in „Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon“ auf LEO-BW

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Die echte, raue Alb... „als wäre man in Schweden“

Georges Cuviers Wanderung über die Schwäbische Alb - Tag 3

An den ersten beiden Tagen ihrer Wanderung näherten sich Georges Cuvier und seine Freunde im April 1788 der Schwäbischen Alb von Stuttgart über Nürtingen und hatten bei der Besteigung der Teck ihre erste Begegnung mit dem Albwind. Am dritten Tag nahmen sie Kurs auf den „rauhesten Theil der Alb“.

Ein Glück, dass ihr strenger Gastgeber, Christian Ludwig Glöckler, der sie um sechs Uhr in Kirchheim aus dem Bett gejagt hatte, den jungen Männern wenigstens ein Frühstück in Bissingen gönnte – denn, so Cuvier: „die Wecken dieses Ortes sind besonders gut“.

Am Breitenstein stiegen sie weiter hinauf Richtung Schopfloch. Während sie am Wegrand Versteinerungen entdeckten und in der Ferne einen Vulkan ausmachten, von dessen Existenz bisher niemand gewusst hatte, wurde die Luft kälter: „Das war nun die Alb und zwar die aechte. Das Clima scheint ganz verändert, wenigstens als wäre man in Schweden.“

Im Artikel „Georges Cuviers Wanderung über die Schwäbische Alb - Tag 3“ erfahren Sie nicht nur Details über die Torfgrube von Christian Ludwig Glöckler und die Schutzmaßnahmen, die Georges Cuvier gegen den kalten Wind ergriff. Cuviers Beschreibung der Armut der Bevölkerung gibt uns auch einen Einblick in das Alltagsleben der weniger privilegierten Menschen in Württemberg im Jahr 1788.

Zum Bild: Gasthaus in Münsingen, Zeichnung von Georges Cuvier, 1788 [Quelle: Bibliothèque de l’Institut de France, Ms 3312: Papiers et correspondance du baron Georges Cuvier. Planches relatives à un voyage à pied fait dans les Alpes würtembergeoises du 20 au 28 avril 1788 par Cuvier, Copyright: ©Bibliothèque de l’Institut de France]

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Walpurgisnacht auf Brocken, Kandel und Schwäbischer Alb

Schabernack und ernste Hintergründe

Der Burgbühl bei Obernheim ist einer der sagenumwobenen Hexentanzplätze der Alb. Das Denkmal in Obernheim steht für die Fastnachtsfiguren der 1939 gegründeten Zunft. [Quelle: Gemeinde Obernheim]

Der Burgbühl bei Obernheim ist einer der sagenumwobenen Hexentanzplätze der Alb. Das Denkmal in Obernheim steht für die Fastnachtsfiguren der 1939 gegründeten Zunft. [Quelle: Gemeinde Obernheim]

Die Nacht auf den ersten Mai gilt nach altem Volksglauben als Höhepunkt des Hexentreibens. Der Name steht weniger mit dämonischen Wesen sondern mit der hl. Walburga und deren Gedenktag am ersten Mai in Verbindung. Ein Schauplatz der sagenumwobenen Zusammenkünfte ist der Brocken im Harz, der als „Blocksberg“ berühmt wurde. Im Schwarzwald ist es der Kandel. Sogar die Höhen der Schwäbischen Alb blieben von Umtrieben nicht verschont: Die von Ernst Maier zusammengestellten „Deutschen Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben“ führen eine ganze Reihe davon auf. So sollen sich Hexen auf dem Heuberg bei Rottenburg am Neckar in den Nächten des Freitags versammelt und um einen Apfelbaum getanzt haben. In der Nähe von Ehningen kamen sie zum Rangenbergle oder auf die Kelterwiese, bei Betzingen auf den Haldenacker. Bei Heubach lag der Tanzplatz auf dem Hohberg. Es wundert nicht, dass der exponierten Roßberg in der Nähe von Pfullingen im selben Ruf stand.

Eine ausführlichere Darstellung in den Maierschen Sagen ist dem „Hauptzusammenkunftsplatz“ auf dem Burgbühl bei Obernheim gewidmet, einer Höhe zwischen Balingen und Tuttlingen auf dem Großen Heuberg, die auch als „Hexenbuckel“ bezeichnet wird. Hier soll das „Hexenbäumle“ gestanden haben. Heute erscheinen die Geschichten als Phantasiegebilde. Bei näherer Betrachtung erschließen sich historische Hintergründe. Zum einen wurden die vermeintlichen Spukgestalten den Geistern von Soldaten zugeschrieben, die infolge gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Eberhard im Bart und der Stadt Rottweil umgekommen sind. Hauptsächlich stehen sie wohl mit historisch belegbaren Hexenverfolgungen in Zusammenhang. Diese flammten während der Zeit von 1589 bis 1641 im Gebiet um Schömberg auf und kosteten mehreren Frauen sowie einem Ratsherrn das Leben. Noch gravierender waren die Auswirkungen der Rottweiler Hexenprozesse, die etwa zur gleichen Zeit stattfanden und in deren Folge ungleich mehr Menschen einen grausamen Tod fanden. Betroffen waren nicht nur die unmittelbar zu Rottweil gehörenden Territorien. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des vorhandenen Materials ergab, dass die Opfer vielfach aus den unteren Schichten von Dörfern stammten, wobei sich Notlagen, hervorgerufen durch Missernten oder Epidemien mit sozialen Ängsten und Aberglauben vermischten und ein diffuses Szenario der Bedrohung enstand.

Zum Weiterlesen:
Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Ernst Heinrich Meier, Band 1, Stuttgart 1852, Seite 181 ff.
Zeck, Mario: "Im Rauch gehen Himmel geschüggt". Hexenverfolgungen in der Reichsstadt Rottweil, Stuttgart 2000, als Zusammenfassung mit Rezension von Johannes Dillinger

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