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Der „Stühlinger Schwur“ am 23. Juni 1524

Wandmalerei in Tiengen zum Andenken an Joß Fritz, der für den Bundschuh und vermutlich auch die Bauernbewegung aktiv war. Quelle: Badisches Landesmuseum Karlsruhe BA 2020/1-61, Lizenz CC0

Wandmalerei in Tiengen zum Andenken an Joß Fritz, der für den Bundschuh und vermutlich auch die Bauernbewegung aktiv war. Quelle: Badisches Landesmuseum Karlsruhe BA 2020/1-61, Lizenz CC0

Am 23. Juni 1524 erhoben sich Bauern aus dem Wutachgebiet gegen ihren Landesherrn, Graf Siegmund II. von Lupfen, dessen Sitz sich im Schloss Hohenlupfen in Stühlingen befand. Der auch als „Stühlinger Schwur“ bezeichnete Protest bildete den Anfang einer Kette weiterer Aufstände, die 1524 und 1525 in Süddeutschland, aber auch in Tirol und der Schweiz sowie Thüringen und Sachsen ausbrachen. Unter den Kernforderungen waren die bis heute bedeutsamen, 1525 in Memmingen gegenüber dem Schwäbischen Bund vorgetragenen Zwölf Artikel, die zu den frühesten schriftlichen Zeugnissen menschlicher Grundrechte gehören. Die als „Bauernkrieg“ bezeichneten Aufstände jener Jahre waren keine einmalige Erscheinung. Bereits im 13. Jh. war es zu Bauernunruhen gekommen, beispielsweise in der Schweiz. Ab der zweiten Hälfte des 15. Jh. standen Aufstände im Zeichen des „Bundschuh“ mit Schwerpunkten in Hegau, Breisgau und am Oberrhein. Als Begriff für die Ereignisse von 1524/25 hat sich neben „Bauernkrieg“ der „Aufstand des gemeinen Mannes“ etabliert. Oft werden sie unter dem Blickwinkel kämpfender regionaler „Haufen“ betrachtet. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus Beteiligte, die nicht den bäuerlichen Schichten angehörten, wie die Einwohnerschaft von Städten und Teile des Adels.

Die Grafen von Lupfen waren Mitte des 13. Jh. als Erben in den Besitz der Landgrafschaft Stühlingen gekommen. Der Bauernprotest vom 23. Juni 1524 richtete sich gegen Fron- und Dienstleistungen, die als immer unzumutbarer empfunden wurden. Eine vermutlich fiktive Geschichte handelt vom Befehl Schneckenhäuser zu sammeln, die edlen Damen als Garnspulen dienen sollten. Hier und noch mehr in Quellen wird deutlich, dass die Untertanen für herrschaftlichen Luxus zu sorgen hatten, obwohl es kaum für den eigenen Bedarf reichte. Zu den regelmäßigen Pflichten gehörte der Transport von Jagdwild oder Wein. Sogar vom Sammeln ausgefallener Zutaten für Schlehenkompott wird berichtet. Nun verlangten die ungehorsamen Bauern Jagd- und Fischereirechte für sich selbst. Doch der Protest hatte viele Ursachen. Zur weiteren Verschärfung der Situation trugen territoriale Konflikte bei, in die die Grafen von Lupfen schon in der Vergangenheit verstrickt waren und die, je nach Ausmaß, die Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen hatten. Besonders während des Schweizerkriegs 1499 - in der Region trafen Habsburg und Angehörige des Schwäbischen Bunds einerseits sowie die Eidgenossen andererseits aufeinander - litt die Landgrafschaft Stühlingen unter brutalen Plünderungen. Für noch mehr Zündstoff sorgte schließlich die Reformation. Im katholisch-habsburgischen Waldshut predigte Balthasar Hubmaier, Anhänger der Lehren Zwinglis in Zürich.

Nach dem 23. Juni 1523 zog der Stühlinger Aufstand immer weitere Kreise. Schlichtungsversuche verliefen ergebnislos. Sigmund von Lupfen versammelte etliche Mitstreiter. Die Aufständler wählten den ehemaligen Landsknecht Hans Müller von Bulgenbach zum Anführer. Mithilfe Hubmaiers wurde ein aus 16 Artikeln bestehendes Manifest der „evangelischen Bruderschaft“ aufgesetzt. Der gesamte südlichen Schwarzwald, Hegau und Klettgau schlossen sich an. Zu großen gewaltsamen Auseinandersetzungen kam es ab dem Frühjahr 1525. Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Aufstände niedergeschlagen. Besonders berüchtigt war das Vorgehen des Fürsten von Waldburg-Zeil. Auch für Hans Müller wurde die Lage schwierig. Er verlor seine Anhänger, wurde nach mehrfacher Flucht verhaftet und am 12. August 1525 in Laufenburg hingerichtet.

Zum Weiterlesen: Der Bauernkrieg in der Landgrafschaft Stühlingen und seine Vorgeschichte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Dissertation von Hiroto Oka, Uni Konstanz, 1998.

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