Haber, Heinz 

Geburtsdatum/-ort: 15.05.1913;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 13.02.1990; Hamburg
Beruf/Funktion:
  • Physiker, Astronom, wissenschaftlicher Publizist
Kurzbiografie:

19191932 Volksschule, ab 1922 Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim bis Abitur im März 1932

19321939 Studium der Physik und Astronomie an den Universitäten Leipzig, SS 1932, WS 1932/33, Heidelberg, SS 1933, SS 1934–WS 1935/36, und Berlin, WS 1933/34, SS 1936–SS 1939; WS 1934/35 und SS 1935 zur Wehrausbildung an der Fliegerschule Tübingen beurlaubt

1939 XII 15 Promotion zum Dr. rer. nat. an der Universität Berlin mit Arbeit im Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik bei Hermann Schüler (1894–1964): „Über den Energieaustausch zwischen Translation und Rotation durch Stöße“

1939 IX1942 VII Flugzeugnavigator bei den Feldzügen in Polen, Frankreich und Russland, 1939 EK II, und 1940 EK I; Entlassung aus dem Militär nach Kopfverwundung

1942 VIII1945 III Mitarbeiter, ab Februar 1943 Abteilungsleiter für Spektroskopie im Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie, Berlin

1944 XII Habilitation für das Fach Astronomie an der Universität Berlin: „Das Torusgitter“. Lehrprobe am 15. Jan. 1945: „Über die Häufigkeit der chem. Elemente in den Sternen“, Lehrerlaubnis für Astronomie im März 1945

1945 VII1946 XII Dozent für Astronomie an der Universität Heidelberg; ab Herbst 1945 auch Assistent bei dem luftfahrtmedizinischen Zentrum, Aero-Medical Center, der US Armee in Heidelberg unter Hubertus Strughold (1898–1986)

1947 I1952 IV? Research Scientist, zuletzt Assistant Professor of Astrophysics an der US Air Force School of Aviation Medicine, Randolf Field, Texas

19481950 Gründer der Raumfahrtmedizin zusammen mit H. Strughold, konstituiert als „Department of Space Medicine“ im Februar 1949

1952 V1955 Associate Physicist am Institute of Transportation and Traffic Engineering, University of California, Los Angeles

1955 X Einbürgerung in den USA

19551958 Wissenschaftlicher Konsultant bei der Walt Disney Corporation

19591990 Freiarbeitender Filmproduzent für verschiedene Fernsehfirme in Deutschland, Österreich und der Schweiz

19641990 Gründung und Herausgabe der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch, ab 1939 evangelisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Preis der Thomas Alva Edison Foundation (1962); Adolf-Grimme-Preis mit Bronze (1965); Die Goldene Kamera (1965); Besondere Ehrung beim Adolf-Grimme-Preis (1967); Bloomaulorden der Stadt Mannheim (1972), postum: Heinz Haber-Straße in Mannheim-Lindenhof (2007).
Verheiratet:

I. 1940 (Mannheim) Anneliese, geb. Hündle (1920–2011);

II. 1960 (Kalifornien) Irmgard, geb. Koch (geb. 1927)


Eltern:

Vater: Karl (1881–1931) Bankbeamter, zuletzt Direktor und Vorstandsmitglied der Süddeutschen Zucker-AG, heute: Südzucker AG

Mutter: Maria, geb. Saar (1885–1983)


Geschwister:

3; Else (1907–1989), Fritz (1912–1998), Luftfahrtingenieur, und Franz (1922–1961), Dr. rer. nat. (?), Industriechemiker


Kinder:

3; aus I. Kai (geb. 1943), Radiologieprofessor in den USA, u. Cathleen (geb. 1945), Lehrerin; aus II. Marc-Philip (geb. 1969), Informatiker

GND-ID: GND/134271319

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 196-203

Haber wurde als drittes Kind in Mannheim-Lindenhof geboren. Nach dem Besuch der dortigen Volksschule wechselte er in das renommierte humanistische Karl-Friedrich-Gymnasium seiner Heimatstadt. 1923 zog die Familie in ein eigenes Haus, heute Bassermannstraße 55. Im nächsten Jahr begann in der Nähe der Bau des Mannheimer Planetariums. Das weltweit erste kommunale „Sterntheater“ wurde 1927 eröffnet und hat beim Gymnasiasten Haber großes Interesse für Astronomie geweckt. Er besuchte oft Veranstaltungen des Planetariums, lernte den ersten wissenschaftlichen Direktor Karl Feuerstein (1887–1964) kennen und gewann dessen Unterstützung. Mit 17 Jahren durfte er seinen ersten öffentlichen Vortrag im Planetarium halten. Im Gymnasium galt Haber als mittelmäßiger Schüler. Sehr gute Noten hatte er in Deutsch, Mathematik und Physik, nur „hinlängliche“ bis „ungenügende“ in den alten Sprachen. Nach dem Abitur im März 1932 begann er im SS 1932 zu studieren.

Die Studienjahre Habers spiegeln sein aktives, dynamisches Wesen wider. Zwei Semester lang besuchte er Vorlesungen und Übungen in Physik und Astronomie in Leipzig, dann setzte er sein Studium in Heidelberg fort. Das WS 1933/34 verbrachte er im Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam, wo er als Student der Berliner Universität an spektroskopischen Forschungen teilnahm. Dann kehrte er nach Heidelberg zurück, wo er außer Physik auch Chemie belegte.

Während seines Studiums dort ließ Haber sich beurlauben, um seine Militärpflicht zu erfüllen, und auch seiner Leidenschaft für die Luftfahrt nachzukommen: im WS 1934/35 und SS 1935 absolvierte er zwei Folgen von Übungen in der Fliegerschule in Tübingen und schloss als Leutnant der Reserve ab. 1936 nahm Haber sein Physik- und Astronomie-Studium in Berlin wieder auf. Außerdem arbeitete er acht Monate lang im Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, wo er sich an physikalisch-chemischen Forschungen beteiligte, im September 1937 wechselte er in das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik zu Hermann Schüler (1894–1964), unter dessen Anleitung er sich an Forschungen in der Atomphysik mittels bandenspektroskopischer Methoden beteiligte und seine Doktorarbeit schrieb, die er Juli 1939 einreichte. Bei Kriegsausbruch wurde Haber sofort einberufen, so dass seine Promotion erst im Dezember im Eilverfahren stattfinden konnte; er hatte nur einen kurzen Urlaub vom Polen-Feldzug erhalten. Dissertation und Rigorosum in Physik und Astronomie wurden mit „sehr gut“ bewertet.

Seit Kriegsanfang diente Haber als Beobachter einer Aufklärungsfliegerstaffel, zunächst in Polen, 1940 in Frankreich und 1941 in Russland. Er wurde zweimal verwundet und im Juli 1942 als Hauptmann der Reserve aus dem Militärdienst entlassen. Haber kehrte nach Berlin zurück, wo er eine Stelle am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie bei Peter Thiessen (1899–1990) fand. Sein Arbeitsgebiet blieb Spektroskopie. Er beschäftigte er sich mit der Optimierung von Beugungsgittern, um eine bessere spektrale Zerlegung des Lichts kosmischer Quellen zu erreichen, fand eine neue Konstruktion des konkaven Gitters, das Torusgitter, und erarbeitete dessen Theorie. Die Arbeit dazu legte er im September 1944 als Habilitationsschrift der Universität vor. Der erste Gutachter, Direktor des Astrophysikalischen Laboratoriums in Potsdam Hans Kienle, bewertete die Arbeit als „wertvolle Erweiterung der Theorie des Konkavgitters“ (UA Berlin, MNF 01:025), dem sich der Astronom Paul Guthnik (1879–1947) als Zweitgutachter anschloss, auch der Drittgutachter Thiessen begrüßten die Untersuchung Habers, „da sie Kenntnisse über Wesen und Leistungsfähigkeit von Konkav-Gittern erheblich erweitert“ (ebd.).

Die „wissenschaftliche Ansprache“ fand am 6. Dezember 1944 statt. Es brauchte aber damals für eine Dozentur ein weiteres Verfahren, insbesondere eine „öffentliche Lehrprobe, worüber der Dekan dem Ministerium mitteilte, dass der Vortrag „mit überlegener Stoff- und Sprachbeherrschung [und vorbildlichem logischem Aufbau] eine […] Musterleistung“ (UA Berlin, UK H 013) war. Die Ernennung Habers zum Dozenten folgte am 12. März 1945, erreichte ihn aber erst Anfang April, als er vor dem Fall Berlins mit dem letzten Zug samt Frau und Kind nach Heidelberg in die amerikanische Besatzungszone flüchtete.

Politisch unbelastet erhielt Haber zur Wiedereröffnung der Universität im Fach Astronomie den Lehrauftrag „Physik der Sonne“ und hielt im WS 1945/46 und SS 1946 eine einstündige Vorlesung. Den Lebensunterhalt für seine nun vierköpfige Familie verdiente Haber unterdessen als Assistent beim US Army Aero-Medical Center, das in Räumen des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Medizinische Forschung in Heidelberg eingerichtet und von deutscher Seite durch den Physiologen Hubertus Strughold geleitet wurde. Ende 1946 ging Strughold mit dem großen Teil seiner Mitarbeiter in Rahmen der „Operation Paperclip“, die auf Rekrutierung deutscher Wissenschaftler und Ingenieure für die amerikanischen Streitkräfte ausgerichtet war, in die USA. So kam Haber im Januar 1947 über New York nach San Antonio in Texas in die Randolf Air Force Base, wo er mit Strughold mehrere Jahre als Forscher an der Air Force School of Aviation Medicine in Randolf Field arbeitete. Seine Familie kam bald nach.

Bald gelang es Haber, seinen älteren Bruder Fritz für seine Hochschule für Luftfahrtmedizin zu gewinnen, der Ende 1949 kam. Diese Zusammenarbeit gipfelte in einem grundlegenden Artikel über denkbare Möglichkeiten für medizinische Forschung, den Zustand der Schwerelosigkeit zu erzeugen. Die Verfasser fanden den sog. „Parabelflug“, der die Schwerelosigkeit für mehrere Dutzend Sekunden erreichte. Im Mai 1950 wurde dieses Ergebnis bei der Jahrestagung der Aeromedical Asociation in Chicago vorgestellt und wurde zur Standardmethode für Schwerelosigkeits-Untersuchungen.

In diese Zeit fällt die Bekanntschaft mit dem Raketeningenieur Wernher von Braun (1912–1977), der damals in Fort Bliss in Texas für die US-Armee arbeitete. Die Brüder Haber besuchten ihn dort, waren doch alle drei „bereits als Teenager von dem Traum des Raumfluges“ begeistert gewesen (1977, Nachruf, S. 4).

Im Frühjahr 1952 endete der Vertrag mit der US Air Force. Haber wechselte nach Los Angeles, wo er eine Stelle am Institute of Transportation and Traffic Engineering der Universität Kalifornien erhielt. Seine Interessen galten unverändert der Weltraumfahrt. Haber besuchte weiterhin Tagungen der Raumfahrtmedizin und organisierte im April 1953 an der Universität ein „Symposium on Frontiers of Man-Controlled Flight“; der Tagungsbericht erschien 1956 auch deutsch. Damals publizierte Haber sein Buch, „Man in Space“, ein nicht unbedeutender Beitrag zur Raumfahrtmedizin, der in Deutschland unter dem Titel „Menschen, Raketen und Planeten“ bekannt wurde.

Habers Wesen kennzeichnete seine Fähigkeit für exakte, allgemeinverständliche Vereinfachung. In den USA stellte er im „Scientific American“ Themen der Raumfahrt dar, dann im März 1952 in der Wochenschrift „Collier’s“ den Artikel „Können wir im Weltall überleben“. Wie von Brauns weckten Habers Artikel das Interesse des Filmproduzenten Walt Disney (1901–1966). Er lud beide zu einer Besprechung darüber ein, ob sie für das damals von ihm geplante „Disneyland“ und an einen Fernsehfilm mitwirken könnten. Beide waren einverstanden. Haber erkannte seine Chance. Er ließ sich für sechs Monate von der Universität beurlauben, um als Berater bei Disney zu wirken, ab 1955 geschah das hauptberuflich.

Der erste Film „Man in Space“, an dem Haber und von Braun mitgearbeitet hatten, wurde im März 1955 im Fernsehen gesendet. Disney hatte einen Regierungsauftrag, um die Bevölkerung auf friedliche Nutzung der Kernenergie vorzubereiten einen Film dazu zu produzieren. „Our Friend the Atom“ wurde im Januar 1957 im Fernsehen ausgestrahlt. Haber moderierte als „Experte für Atomphysik“ und hat die Kettenreaktion höchst geschickt demonstriert: mit 200 Mausefallen für die Uranatome und 401 Tischtennisbällen für die Neutronen. Auf den gespannten Mausefallen lagen je zwei Bälle. Wird ein weiterer darauf geworfen, löst das zunächst eine Mausefalle aus und breitet sich dann lawinenartig aus. „Das gehört zu den Klassikern des Wissenschaftsjournalismus“ (Korbmann, 1990, S. 3).

Bei Disney lernte Haber nicht nur Filme zu machen, sondern sie auch zu produzieren, wozu naturgemäß der Umgang mit Geld gehörte. Er machte sich selbständig, verließ 1958 die Disney Corporation und begann, Fernsehfilme über Wissenschaft für die USA und Deutschland zu produzieren: „Meine Jahre bei Walt Disney haben mir bewusst gemacht, wie unerhört wirksam das Mittel Fernsehen ist, um die Wissenschaft unter die Leute zu bringen“ (Huncke, 1988, S. 4). Das Wichtigste, was Amerika Haber gegeben hatte, war vielleicht das „Gefühl von Freiheit“ (Maier-Leibniz, 1978, Gemeinsame Jahre in den USA, unpag.) in der demokratischen Gesellschaft, der krasse Gegensatz zu seinem vorigen Leben in Deutschland. Dieses Gefühl hat Haber bei seiner Rückkehr mitgenommen und weitergegeben.

Kontakte mit Deutschland hatte Haber stets weitergepflegt. 1951 schickte er seinen Artikel, „Der Mensch im Weltraum“ an die Zeitschrift „Kosmos“ und kümmerte sich auch um die Herausgabe seiner deutschen Bücher. Im Oktober 1957, nach dem „Sputnik-Schock“, erschien ein Interview des „Raumfahrtexperten“ Haber im „Spiegel“, 1957 und 1958 machte Haber mit dem NDR in Hamburg zwei Fernsehfilme über Disney-Dokumentarfilme und über Interviews mit führenden Amerikanern. Bei einem Besuch hat Haber die NDR-Mitarbeiterin Irmgard Koch kennengelernt. Das hat offensichtlich seine endgültige Rückkehr nach Deutschland bestimmt; denn als seine zweite Ehefrau wurde sie ihm engste Mitarbeiterin. Die erste Familie Habers blieb in den USA; er selbst behielt seine amerikanische Staatsangehörigkeit.

Premiere Habers im deutschen Fernsehen war die vierteilige Reihe „Der Mensch und seine Erde“, die im Sommer 1960 in der ARD gezeigt wurde. Da die Naturwissenschaften im deutschen Fernsehen fast nicht vertreten waren, arbeitete Haber zunächst ohne Konkurrenz. Zum großen Erfolg wurde sein Fernsehfilm „Otto Hahn – 25 Jahre Kernspaltung“. 1944 hatte Haber den Nobelpreisträger kennengelernt und die Bekanntschaft nun aufgefrischt, woraus 1963 ein Film mit Hahn resultierte. In dieser Sendung zeigte Haber auch deutschen Zuschauern mit Hilfe seines Modells, was Kettenreaktion bedeutet, und gewann rasch Popularität. Die schnelle Verbreitung von Fernsehapparaten in den 1960er Jahren ließen Habers Sendungen bald allgemein bekannt werden. Er wurde zum „Fernsehprofessor“, der ab 1966 als freier Filmproduzent auch für das österreichische und schweizerische Fernsehen wirkte. Seine Arbeit organisierte Haber ganz ungewöhnlich für die damalige Zeit: er wollte „den sehr fruchtbaren Teamgeist von Kalifornien nach Hamburg verpflanzen“ (P. Otto, 1978, unpag.). Haber verstand es, eine effektive Teamarbeit zu organisieren und alle Mitarbeiter für die gemeinsame Sache zu motivieren. Insgesamt produzierten Haber und sein Team über 300 Filme in etwa 30 Serien. Jede Sendung dauerte etwa eine halbe Stunde, was sich als optimal erwies, um das Thema sachlich und umfassend darzustellen, ohne dass Langeweile aufkam. Üblicherweise bestand eine Serie aus 7 bis 13 Filmen. Besonders bekannt wurde die 13–teilige Serie „Was sucht der Mensch im Weltraum“ (1968), die in der ARD erstausgestrahlt bis heute wiederholt wird. Mit „Stirbt unser blauer Planet?“ (1973–1974) griff Haber ein bis heute aktuelles Problem auf. Der Medienstar kassierte 600 000 bis 800 000 DM für eine Serie und konnte sich erlauben, ein großes Haus mit Produktionsräumen in Hamburg zu bauen, das die Familie 1978 bezog.

Beim Jahreswechsel 1960/61 lernte Haber den DVA-Verleger Eugen Kunz (1917–2006) kennen, in dem er eine ihm kongeniale Persönlichkeit fand. Seitdem verwandelte Haber jede seiner Fernsehreihen in ein mit geschickt ausgewählten Bildern illustriertes Buch, das sich schnell zum DVA-Bestseller entwickelte. Höhepunkt dieser Zusammenarbeit war die Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“. Kaum beim Fernsehen etabliert begann Haber, Pläne zu schmieden, für Deutschland eine Zeitschrift wie „Scientific American“ zu schaffen, wo er früher publiziert hatte, um breitem Publikum Wissenschaft verständlich zu machen. Haber besaß die Fähigkeit, „mit Überzeugungskraft, Sachverstand, aber auch mit beinahe idealistischer Begeisterung“ anzustecken (Eugen Kunz, „Brennt den Elfenbeinturm nieder“, 1978, unpag.). „Bild der Wissenschaft“ erschien ab Januar 1964 zunächst vierteljährlich, ab 1965 monatlich.

Ernstes Anfangsproblem war es, Autoren zu finden. Im Gegensatz zur angelsächsischen Gepflogenheit zeigten die etablierten deutschen Wissenschaftler keine Bereitschaft, außerhalb von Fachzeitschriften über ihre Arbeit zu berichten. Eine Ausnahme bildete Otto Hahn: er war Autor des ersten Artikels im ersten Heft. Diese Situation änderte sich nur langsam. Später konnte Haber seine Gespräche mit Heinz Maier-Leibnitz (1911-2000), Edward Teller (1908–2003), auch Neil Armstrong (1930–2012) in „Bild der Wissenschaft“ publizieren. Vermutlich ist es mit der ständigen Jagd nach Autoren zu erklären, dass viele Aufsätze aus dem Ostblock, besonders der UdSSR, in der Zeitschrift erschienen, was in der Zeit des Kalten Kriegs auffällt. Allmählich gewann die Zeitschrift einen großen Leserkreis: 1970 bereits 350 000 Leser.

Auch Ausstellungen, die Haber veranstaltete, trugen zum Ansehen der Zeitschrift bei. So zeigte er 1978 im Deutschen Museum in München und dann im Bonner Wissenschaftszentrum 36 großformatige Tafeln unter dem Titel „Wissenschaft und Öffentlichkeit“, die einen Überblick gaben über den aktuellen Stand und über Entwicklungstendenzen von Wissenschaft und Technik. Im selben Jahr stellte „Bild der Wissenschaft“ auf der Hannover-Messe „Fotographie und Öffentliche Wissenschaft“ aus. 1979 wurde „Der Mensch entdeckt die Erde von oben“ in Hannover gezeigt und im Sommer 1979 auch beim XXX. Kongress der Internationalen Astronautischen Föderation in München im Ehrensaal auf der Museumsinsel präsentiert.

Seiner Redaktion ließ Haber viel Selbständigkeit und überließ Redaktionsmitgliedern auch Editorial-Artikel. Von ihm selbst stammen über 40 Editorials zu globalen Problemen, Übervölkerung der Erde, Gefahren von Kernwaffen. In einem seiner letzten Redaktionsartikel schrieb Haber: „Die Natur der Menschen ist so beschaffen, dass sein Name „homo sapiens“ eigentlich falsch ist, er hieße besser „homo bellicosus“; so wird ein ewiger Friede wohl immer ein unerfüllter Wunsch bleiben“ (1988, Nr. 12, S. 3).

Grundlage aller Aktivitäten Habers war seine Philosophie einer „öffentlichen Wissenschaft“. Das Bildungssystem Deutschlands mit seinem Schwerpunkt beim humanistischen Wissen der Öffentlichkeit gab den enormen Fortschritten der Naturwissenschaft und Technik um die Mitte des 20. Jahrhunderts zu wenig Raum. Das machte Kenntnis-Vermittlung an die Bürger notwendig, auch weil eine demokratische Gesellschaft sich nicht entwickeln kann, ohne diese Rolle der Naturwissenschaft zu verstehen. Haber prägte den Begriff „Öffentliche Wissenschaft“. Im ersten Heft seiner Zeitschrift schrieb er: „Der Begriff öffentliche Wissenschaft schließt eine doppelte Verpflichtung ein: einmal die Verpflichtung der Öffentlichkeit, sich über die Wissenschaften und die Anwendung ihrer Ergebnisse zu orientieren; zum zweiten die Verpflichtung des Wissenschaftlers und Technikers, die Öffentlichkeit über seine Arbeit zu informieren und ihr über die Ergebnisse seiner Arbeit Bericht zu erstatten“ (Bild der Wissenschaft 1, 1964, Nr. 1, S. 6). Solche Öffentliche Wissenschaft sah Haber untrennbar mit der Allgemeinverständlichkeit verbunden.

Haber, der stets Verbindung zu seiner Heimatstadt hatte, war dort bekannt und geschätzt. Ein leidenschaftliches Anliegen in Mannheim war ihm „sein“ Planetarium. Das alte Planetarium, im Herbst 1943 durch Luftangriff beschädigt , konnte nicht repariert werden und war 1953 abgerissen worden. Haber, auch Gründungsmitglied der „Gesellschaft zur Pflege und Erhaltung vun der Mannema Schbrooch“, formulierte: „Mir wolle unser Planetarium widderhawwe“. 1975 fand in Mannheim die Bundesgartenschau statt, bei der Haber eine Ausstellung über Weltraumfahrt organisierte. Mondgestein der NASA wurde gezeigt. Dabei warb er für den Neubau eines Planetariums. Nachdem der Reinerlös der Weltraumausstellung mit 220 000 Besuchern nicht reichte, gründete Haber am 29. Januar 1978 den Verein „Mannheimer Planetarium e. V.“ mit, aus dem der „Freundeskreis Mannheimer Planetarium e.V.“ hervorging. Haber war bis 1988 der Vorsitzende. Der Erfolg kam mit dem Beschluss des Mannheimer Stadtrats am 13. Dezember 1978, das Planetarium neu zu bauen. Die Einweihung des Neubaus am der Autobahnanschluss der Stadt geschah am 2. Dezember 1984.

Der Wissenschaftler Haber, zu dessen Erträgen Beiträge zur Raumfahrtmedizin gehören und die Entwicklung des Parabelflugs zur kurzzeitigen Herstellung von Schwerelosigkeit, ist in die Geschichte der Wissenschaft vor Allem als ihr Förderer und durch seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Publizist eingegangen. Haber, der streng genommen in Berlin und Heidelberg „nur“ Dozent und in San Antonio Assistant Professor war, formaliter aber alle Voraussetzungen eines Universitätslehrers erfüllte, beschritt jedoch einen anderen Weg: er wurde „Fernsehprofessor“. Der Privatgelehrte Haber bezeichnete sich selbst in Deutschland als Professor: „Ich habe mit niemandem einen Igel zu kämmen“ (Editorial, Bild der Wissenschaft 21, 1984, Nr.2, S. 3) und sah seinen Übergang zur „Öffentlichen Wissenschaft“ für sich als optimal an: „Ich habe mich gerade zur richtigen Zeit aus dem rein wissenschaftlichen Bereich herauskatapultiert“ (Lessing, 2007, S. 204) und dies zog die entscheidende „Umpolung“ seiner ganzen Tätigkeit nach sich: „Die wissenschaftliche Information, die ich zu übermitteln für notwendig halte, ist banal. Die Form ist wesentlich. Sie erfordert eine künstlerische Betätigung. Deshalb bin ich seit mehr als zwanzig Jahren eher Künstler als Wissenschaftler“ (W. Huncke, 1983, S. 46). Seit seiner Erfahrungen bei Disney dachte Haber immer im „Wirkungs-Verbund“ Film, Buch, Zeitschriftenartikel. Am Anfang stand der Film, danach schrieb Haber ein gut illustriertes Buch, dem Publikationen in seiner Zeitschrift folgten.

Mit dieser Arbeit aber förderte Haber zumindest indirekt auch die Wissenschaft; denn er weckte Interesse schon bei Schülern, die sich dann der Wissenschaft zuwandten. Öffentliche Diskussionen über die Wege der Wissenschaft, die Haber immer wieder in seiner Zeitschrift initiierte, veranlassten letztlich auch Fachleute zu neuen Fragestellungen und mit dem Mannheimer Planetarium zeigte Haber noch einen weiteren Weg, Wissenschaft zu fördern.

Stärken Habers bestanden in einer besonderen Ausstrahlung, und seiner in dieser Intensität selten zu findenden Fähigkeit, komplizierte Zusammenhänge zu erkennen und allgemeinverständlich zu erklären. Dies machte ihn zur einmaligen Figur im Feld der Wissenschaftsvermittlung.

Quellen:

UA Heidelberg, Studentenakte Haber 1933–1936, Rep 27/452 Akademische Quästur Haber 1945–1946; UA Berlin, MN F01:045, Promotionsakte Haber; MNF01:025, Habilitationsakte Haber, UK H 013, Personalakte Haber; A der Max-Planck-Gesellschaft, I. Abt., Rep. 11, KWI für Chemie, Nr. 258, Personalvorgang Heinz Haber (1937), I. Abt., Rep. 36, KWI für Physikalische Chemie und Elektrochemie, Nr. 15 und 16, Gehaltstabelle bzw. Gehaltskarte Haber (1944/45), III. Abt., Rep. 14, Nr. 1345, Schreiben von Heinz Haber an Otto Hahn (1963); StadtA Mannheim Nachlass Haber [zurzeit unzugänglich]; Auskunft der Verlagsgruppe Random House GmbH vom 1.3.2018; Informationen von Frau Cathleen Busch-Haber vom März 2018.

Werke: (mit H. Schüler und H. Gollnow) Über Molekülbildungsprozesse mit und ohne Boltzmann-Verteilung und über Umwandlung von Translations- in Rotationsenergie, in: Zeitschrift für Physik 111, 1939, 484–494; (mit H. Schüler und H. Gollnow) Zur Deutung der als „Druckeffekt“ bezeichneten Erscheinung im Spektrum des Aluminiumhydrides, ebd. 508–513; (mit H. Schüler) Neue Beiträge zum Problem der Energieübertragung bei elementaren Stoßprozessen, ebd. 112, 614–625; Über den Energieaustausch zwischen Translation und Rotation durch Stöße, in: Physikalische Zeitschrift 40, 1939, 541–551; (mit Ehefrau Anneliese Haber) Der Farbfilm in der Astronomie, in: Kosmos 40, 1943/44, 166–168 und Beilage; Aero Medical Problems of Space Travel, in: The Journal of Aviation Medicine 20, 1949, 383–393, 402 f. und 409 f.; A Mount for a Perot-Fabry Interferometer without Etalon Ring, in: Journal of the Optical Society of America 39, 1949, 1050 f.; The Torus Grating, in: Journal of the Optical Society of America 40, 1950, 153–165; (mit H. Fleck) A Color Saturation Threshold Meter, ebd. 459–461; (mit Bruder Fritz Haber) Possible Methods of Producing the Gravity-free State for Medical Research, in: The Journal of Aviation Medicine 21, 1950, 355–400; (mit P. A. Cibis) Anisopia and Perception of Space, in: Journal of the Optical Society of America 41, 1951, 676–683; (mit S. J. Gerathewohl) Physics and Psychophysics of Weightlessness, in: The Journal of Aviation Medicine 22, 1951, 180–189; The Human Body In Space, in: Scientific American 184, 1951, No. 1, 16–19; Flight at the Borders of Space, ebd. 186, 1952, No. 2, 20–23; Gravity, Inertia and Weight, in: Clayton S. White, Ottis O. Benson (Eds.) Physics and Medicine of the Upper Atmosphere, 1952, 123–136; Phasing and Coordination of Medical Research with Technical and Environmental Development, ebd. 575–581; Can We Survive in Space?, in: Collier’s March 22, 1952, 35, 65–67; (mit K. J. K. Buettner) The Aeropause, in: Science 115, 1952, No. 2998, 656 f.; Manned Flight at the Borders of Space. The Human Factor of Manned Rocket Flight, in: Journal of the American Rocket Society 20, 1952, 269–276, 283; Der Mensch im Weltenraum, in: Kosmos, 48, 1952, 372–375; Kann der Mensch im Weltall leben?, in: Cornelius Ryan (Hg.) Station im Weltraum, 1953, 80–106 [dt. Übersetzung der amerikanischen Originalausgabe „Across The Space Frontier“, 1952]; (Hg. und Mitverfasser) Möglichkeiten und Grenzen des bemannten Fluges. Bericht einer Tagung, Los Angeles, USA, 3. April 1953, 1956 [dt. Übersetzung der amerik. Originalausgabe „Proceedings of a Symposium on Frontiers of Man-Controlled Flight, 1953]; Die mechanische Umwelt im Flugzeug von Morgen, ebd. 73–84; Man in Space, 1953; Deutsche Übersetzung: Menschen, Raketen und Planeten, 1955; In fünf Jahren zum Mond? Ein „Spiegel“-Gespräch mit dem Raumfahrt-Mediziner Prof. Dr. Heinz Haber, in: „Der Spiegel“ 11, 1957, Nr. 42, 46–58; Our Friend the Atom, 1957, dt. Übersetzung: Unser Freund das Atom, 1958; Lebendiges Weltall. Menschen, Sterne und Atome, 1959, 21967; Unser blauer Planet. Die Entwicklungsgeschichte der Erde, 1965; Mariner-Mars, in: Bild der Wissenschaft 2, 1965, Nr. 10, 798–807: Der Stoff der Schöpfung, 1966; Gewicht, in: Bild der Wissenschaft 4, 1967. Nr. 9, 730–737; Der offene Himmel. Eine moderne Astronomie, 1968; Öffentliche Wissenschaft, in: Bild der Wissenschaft 5, 1968, Nr. 9, 744–753; Der Ursprung des Mondes, ebd. 6, 1969, Nr. 8, 715–727: Einführung zum Buch „Die Doppel-Helix“ von James der Watson, 1969, 7–15; Brüder im All. Die Möglichkeit des Lebens auf fremden Welten, 1970, TB 1972; Drei Welten. Der Stoff der Schöpfung. Unser blauer Planet. Unser Mond, 1971; (mit Ehefrau Irmgard Haber) Sterne erzählen ihre Geschichten, 1971; Unser Wetter. Einführung in die moderne Meteorologie, 1971, TB 1973, 1975, 1976; Vor dem Abgrund? Probleme der Zukunft aus der Sicht des Naturwissenschaftlers, in: Karl Albert Müller (Hg.) Dreihundert Jahre Karl-Friedrich-Gymnasium, 1972, 211–216; Stirbt unser blauer Planet? Die Naturgeschichte unserer übervölkerten Erde, 1973; Gefangen in Raum und Zeit. Die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft über das Wesen der Schöpfung, 1975; Planet im Meer der Zeit. Die Story der modernen Erdforschung, 1976; Die panthalassische Erde, in: Bild der Wissenschaft 14, 1977, Nr. 6, 88–100; Nachruf auf Wernher von Braun, ebd., Nr. 8, 4 f.; (mit Irmgard Haber) Geschichten aus der Zukunft, 1978; Eine Frage, Herr Professor: Heinz Haber antwortet seinen Lesern und Zuschauern. 1978; (mit Irmgard Haber) Unser Sternenhimmel: Sagen, Märchen, Deutungen, 1981; Sternatlas. Photographische Karten des ganzen Himmels, 1981; (mit W. Knapp) Phantastisches All, in: Bild der Wissenschaft 18, 1981, Nr. 3, 40–53; Saturn, Herr der Tausend Ringe, ebd., Nr. 11, 58–70; (mit Irmgard Haber) Wenn unser Planet zürnt, 1986; Die Zeit. Geheimnis des Lebens, 1987; Das ratlose Luftmeer, 1988; Eiskeller oder Treibhaus. Zerstören wir unser Klima, 1989; Die Sterne, 1990.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (ca.1978) S. 198, Besitz von Frau Busch-Haber – Zahlreiche Bilder in vielen Publikationen Habers und in „Bild der Wissenschaft“ (vgl. Literatur).

Literatur:

Poggendorffs Biographisch-literarisches Handwörterbuch VIIa, Teil 2, 1958, 335 f.; VIII, Teil 2, 2002, 1444; DBE, 2. Aufl., 4, 2006, 309; W. Huncke, Heinz Haber zum Geburtstag, in: Bild der Wissenschaft 15, 1978, Nr. 6, 5; Professor Heinz Haber wird 65, ebd., unpag., 12 Seiten mit Bildnachweis, darin: Glückwunsch des Bundespräsidenten Walter Scheel, Reimar Lüst, Gegen überholte Bildungsbegriffe, Hermann Barchet, One-Dollar-Job für die Öffentl. Wissenschaft, Heinz Maier-Leibnitz, Gemeinsame Jahre in den USA, Peter Otto, Ein Team ist mehr als eine Gruppe, Karlheinz Mose, Unser Mann für Mensch und Mond, Dieter Stolte, Öffentlichkeit durch Veröffentlichung, Lydia Martin-Edingshaus, Entdeckt und aufgestiegen, Ernst Wolf Mommsen, Ein Mann, eine Idee, ein Erfolg, Elisabeth Noelle-Neumann, Wissenschaft bedarf der Dolmetscher, Robert Jungk, Begeisternde Wissenschaft, Wolfram Huncke, Wissenschaft als Show, Eugen Kurz, „Brennt den Elfenbeinturm nieder“, Gratulation des Bundesforschungsministers Hauff; W. Huncke, „Ja, Bob und ich…“: Heinz Haber und Robert Jungk werden 70, in: Bild der Wissenschaft, 20, 1983, Nr. 5, 46 f. (mit Bildnachweis in der Gruppe); W. Huncke, „Reißt den Elfenbeinturm nieder“; Heinz Haber wird 75, in: Bild der Wissenschaft 25, 1988, H. 5, 3 f. (mit Bildnachweis); R. Korbmann, Wir trauern um Heinz Haber, in: Bild der Wissenschaft 27, 1990, H. 4, 3 f.; Hans-Erhard Lessing, Mannheimer Pioniere, 2007, 197–208: Heinz Haber: Herr der Bildschirme (B 198); Manfred Gross, Heinz Haber – Stationen eines ungewöhnlichen Lebens. Eine biographische Skizze, in: H. Wiegand, W. Kreutz (Hg.) 200 Jahre Vereinigtes Großherzogliches Lyceum-Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim, 2008, 267–297 (mit Bildnachweis); Manfred Gross, Sterne, Menschen und Atome. Zum 100. Geburtstag von Heinz Haber, 2013.

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