Ortslage und Siedlung (bis 1970): | Die erste Erwähnung der Burg Neudenau (»Nidenowe«) datiert von 1251, die der Stadt von 1263 (»civitas«, 1346 »oppidum«); beide wurden offenbar nicht lang zuvor auf Deitinger beziehungsweise Businger Gemarkung gegründet (»Nydenaw, quondam dictam Busingin«). Das Grundwort des Ortsnamens bezieht sich auf die feuchte Niederung zu Füßen der Stadt; ob freilich das Bestimmungswort topographisch oder programmatisch (mittelhochdeutsch »nît«, tapfer, streitbar) zu deuten ist, muss dahingestellt bleiben. Die auf einem Sporn über zwei Prallhängen der Jagst gegründete Stadt hat einen etwa elliptischen Grundriss mit gewunden durchlaufender Hauptstraße und trapezförmigem Markt in der Mitte; sie war durch ein unteres und ein oberes Tor zugänglich. Die Burg beziehungsweise das Schloss liegt am oberen Ende. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand unten an der Jagst eine Vorstadt (1395). Die erste steinerne Jagstbrücke wurde 1560 gebaut und 1732 durch ein Hochwasser zerstört, aber schon 1733 durch einen Neubau ersetzt. Abgesehen von verschiedenen vorgeschichtlichen Funden wurden 1890 im Gewann Im Weiler römerzeitliche Siedlungsreste entdeckt. Seit merowingischer Zeit bestanden hier die beiden Siedlungen Busingen (1225), vermutlich oben auf der Höhe, wo nun die Stadt liegt, und Deitingen (1251 »Teitingen«), unten in einer Schleife der Jagst, bei der St. Gangolfs-Kirche; beide wurden mit der Gründung von Neudenau aufgegeben beziehungsweise in die Stadt hineingezogen. Die letzte Erwähnung Deitingens als Siedlung datiert von 1359. Die neueren Wohngebiete liegen auf den Höhen hinter dem Stadtkern sowie gegenüber auf dem anderen Jagstufer beim Bahnhof in den Gebieten »Boden« (1948/60), »Steige«, »Ebene«, »Kutten«, »Allfelder Steige« (nach 1960). Industrieansiedlungen »Süd-Ost« und »In der Au« bestehen seit 1955. |
Historische Namensformen: | |
Geschichte: | Die früh- und hochmittelalterliche Herrschaftsentwicklung auf dem Gebiet der Stadt Neudenau beziehungsweise ihrer Vorgängersiedlungen Busingen und Deitingen bleibt unklar; ihre Grundlage scheinen Rechte des Klosters Amorbach gewesen zu sein, die dann als Lehen des Hochstifts Würzburg im Besitz der Grafen von Dürn respektive ihrer Ministerialen waren. Jedenfalls wurzelt der weitere Gang der Dinge in der Dürner Vogtei über den Amorbacher Klosterbesitz. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichteten die Grafen eine Burg, die erstmals 1251 Erwähnung findet; zur gleichen Zeit muss auch die Stadt entstanden sein. Um die Wende zum 14. Jahrhundert gelangte die Herrschaft an die Herren von Weinsberg, die Burg und Stadt 1327 auf Wiederkauf an die von Heinriet verkauften, und schon drei Jahre darauf folgten die Sturmfeder. Nach langem Streit über ein 1335 von Engelhard von Weinsberg dem Erzstift Mainz verkauftes Wiederlösungsrecht überließ Burkhard Sturmfeder den Besitz 1364 dem Erzbischof von Mainz, der hier eine Kellerei für die Verwaltung seines um die untere Jagst gelegenen Territoriums einrichtete. Mit Unterbrechungen aufgrund von Verpfändungen an die von Hirschhorn (1400/12) und von Sickingen (1492, 1537) blieb Neudenau bis zum Ende des Alten Reiches bei Kurmainz (Oberamt Amorbach). Im Zuge der Säkularisation fiel die Kellerei Neudenau 1802/03 an die Grafen von Leiningen-Heidesheim (beziehungsweise -Neudenau), die 1806 ihrerseits von Baden mediatisiert wurden. Für Busingen (1225 »Ebelinus et Volcnandus de Busingen«) und Deitingen (1251 »Cunradus de Teitingen«) sind Adlige bezeugt, die wahrscheinlich demselben, seit 1275 nach der Neudenau (»Cuonradus miles de Neidenauwe«) benannten Geschlecht angehörten. Ihre Herkunft ist in der Dürner Ministerialität zu suchen; später begegnen sie als Vasallen der Hohenlohe. Vermutlich ist die Familie im Mannesstamm noch vor der Mitte des 14. Jahrhunderts erloschen. Neben dem Kloster Amorbach verfügte auch das Stift Wimpfen über Gerechtsame in Neudenau und vermehrte diese 1276 durch den Ankauf Amorbacher Zinsen, Fischrechte, Zehnten und sonstiger Befugnisse. Um diesen Wimpfner Besitz entspannen sich später immer wieder Auseinandersetzungen. 1667 hatte das Stift den ganzen Frucht- und Weinzehnt auf Neudenauer Gemarkung zu beanspruchen, musste davon aber ein Viertel dem Mainzer Keller für seine Aufsicht überlassen. In den Zehnt von der alten Deitinger Gemarkung teilten sich das Kloster Amorbach (2/3) und das Stift Wimpfen (1/3); der Kleinzehnt stand dem Pfarrer zu. Nachdem Neudenau 1525 den aufständischen Bauern seine Tore geöffnet hatte, erließ der Erzbischof von Mainz 1530 eine neue, strengere Stadt- und Polizeiordnung. An der Spitze der städtischen Verwaltung stand fortan der vom Orts- und Landesherrn bestellte Schultheiß. Das mit zwölf Personen besetzte Stadtgericht fungierte zugleich als Rat; berufen wurden die Schöffen beziehungsweise Räte auf Vorschlag von Schultheiß und Rat durch den Amtmann, später den Keller. Das zuvor bestehende Bürgermeisteramt wurde abgeschafft und seine Befugnisse dem Keller und Schultheißen übertragen. Die Mehrzahl der städtischen Ämter (Stadtschreiber, Fleischschätzer, Umgeldakziser, Landschieder, Pedell, Feldschützen) wurden von der Herrschaft angestellt und von der Stadt besoldet. Neben dem gewöhnlichen Gericht tagte jährlich zu Lichtmess (2. Februar) das Rüggericht, das Frevel sowie Feld- und Waldbußen ahndete; auch dieses Gericht wurde von der Herrschaft be- und entsetzt. Ein Stadtsiegel ist erstmals für 1336 belegt. Seit dem Übergang an das Erzstift Mainz zeigte das Siegel ein Rad; ein Abdruck von 1542 trägt die Umschrift »S(igillum) opidi nijdenaw«. Während der kurzen leiningischen Herrschaft zeigte das Siegel die drei leiningischen Adler. Das Rathaus von 1586/87 ist erhalten. Ab 22.6.1807 eigenes standesherrliches Amt Neudenau unter badischer Souveränität, 24.7.1813 Zweites Landamt Mosbach (seit 1.5.1832 Bezirksamt Mosbach), 1.5.1841 Bezirksamt Neudenau in Mosbach, 15.11.1849 Bezirksamt Mosbach, 25.6.1939 Landkreis Mosbach. |
Ersterwähnung als Stadt: | 1263 |
Wirtschaft und Bevölkerung: | Einer Bürgerliste von 1634 zufolge hatte Neudenau 155 Haushalte innerhalb der Mauern, neun in der Vorstadt und 37 Hausgenossen, woraus auf insgesamt etwa acht- bis neunhundert Einwohner zu schließen ist. Eine Zählung von 1667 kam hingegen nur noch auf circa 520 bis 530 (127 Herdstätten, 136 Männer, 178 Frauen, 139 Söhne und 132 Töchter). Bis 1692 halbierte sich die Zahl noch einmal (100 Männer, 94 Frauen, 17 Söhne 21 Töchter, 15 Witwen), aber in den folgenden Jahrzehnten nahm sie wieder zu (1736 674). Eine Kirchenvisitation von 1768 nennt 882 Einwohner (846 Christen, 36 Juden). Am Ende des Alten Reiches wurden 1195 Seelen gezählt (1141 Christen, 54 Juden). In der Kleinstadt boten Ackerbau und Viehzucht den hauptsächlichen Lebensunterhalt. Dem 1263 erstmals erwähnten Weinbau stand eine herrschaftliche Kelter zur Verfügung. Die städtische Schäferei wurde jährlich verpachtet. An Gewerben werden 1695 genannt: Bäcker, Binder, Hafner, Küfer, Schmiede, Tuchfärber, Wirte, Wagner, Ziegler und Zimmerleute. Im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden fünf Zünfte: Schuhmacher, Rotgerber und Sattler (1655), Schneider und Weber (1732), Zimmerleute, Maurer, Steinhauer, Ziegler, Hafner (um 1732/41), Metzger, Küfer, Bäcker, Müller und Seiler (1741) sowie Glaser, Schreiner, Schmiede, Wagner, Dreher, Schlosser, Strumpfweber, Flaschner und Buchbinder (1767). Die Schildgerechtigkeit zum Ochsen begegnet erstmals 1695; außerdem gab es die Wirtshäuser zur Krone, zum Rösslein und zum Baum. Die 1364 erwähnte Mühle wurde von der Stadt gewöhnlich auf sechs Jahre verpachtet, hatte drei Mahlgänge und einen Schälgang; überdies war sie Bannmühle. Eine Sägemühle lag oberhalb der Mahlmühle auf der anderen Seite der Jagst, eine Ölmühle gegenüber der St. Gangolfs-Kirche. Eine Ziegelei ist seit 1454 belegt und wurde von der Stadt verpachtet. Ein 1767 abgebranntes Hammerwerk baute der Kronenwirt 1780 wieder auf. Eine Badstube wird 1466 genannt, Hebammen sind seit 1432 nachzuweisen. Marktrecht dürfte die Stadt seit ihrer Gründung gehabt haben. Zwei Jahrmärkte am Montag nach St. Walpurgis (Anfang Mai) und am Montag nach Mariä Himmelfahrt (Mitte August) wurden 1402 durch den König eigens privilegiert und 1484 durch den Erzbischof von Mainz nochmals bestätigt. Einen dritten Markt am Sonntag nach St. Andreas (Ende November beziehungsweise Anfang Dezember) verlieh 1706 der Landesherr. Zu diesen Krämermärkten kamen seit 1780 noch drei Viehmärkte hinzu – an St. Mathias (24. Februar), an St. Philipp und St. Jacob (1. Mai) und an Allerheiligen (1. November) –, die großen Zulauf hatten, infolge der Revolutionskriege aber wieder eingingen; ihre Neubelebung 1802 war nur von kurzer Dauer. |