Ein revolutionärer Funke im Württemberg des Vormärz

Die Verschwörung des Ernst Ludwig Koseritz

Meldung über den Tod von Koseritz in New Orleans im Schwäbischer Merkur vom 16. September 1838. Quelle: Landesarchiv BW HStAS E 271 k Bü 95.
Meldung über den Tod von Koseritz in New Orleans im Schwäbischer Merkur vom 16. September 1838. Quelle: Landesarchiv BW HStAS E 271 k Bü 95.

Ernst Ludwig Koseritz (1805–1838), Haupt einer Zivil- und Militärverschwörung in Württemberg in den Jahren 1831 bis 1833, war Oberleutnant und Aufseher auf der Festung Hohenasperg, wo zahlreiche politische Häftlinge einsaßen. Unter dem Eindruck der französischen Julirevolution und des polnischen Novemberaufstands in den Jahren 1830 und 1831 radikalisierte er sich und begann, Pläne für einen republikanischen Umsturz zu schmieden. Koseritz zog andere, meist gleichrangige junge Offiziere in sein Vertrauen. Die Gruppe traf sich in der Ludwigsburger Weinschenke Räuberhöhle. Als intellektuelle Köpfe sind vor allem der Buchhändler Friedrich Gottlob Franckh (1802–1845) und der Kaufmann Georg David Hardegg (1812–1879) hervorzuheben, die zuvor eine Zeit lang in Paris gelebt hatten und sich seit 1832 an den Ludwigsburger Treffen beteiligten. Weitere Kontaktpersonen waren u. a. Rudolf Lohbauer (1802–1873), Redner auf dem Hambacher Fest, Johan von Rauschenplat (1807–1868), militärischer Führer des berühmten Frankfurter Wachensturms, der Lehrer Friedrich Wilhelm Knoebel (1802–1871) und der Arzt August Breidenstein (1810–1835).

Koseritz selbst plante bereits für Anfang 1833 einen Militäraufstand. Hardegg, inzwischen Student an der Universität Tübingen, wollte aber auch die Bevölkerung für sein Vorhaben gewinnen, weshalb es zur Verteilung von Flugblättern unter der ländlichen Bevölkerung kam, deren Druck wiederum Franckh übernommen hatte. Die aufrührerischen Schriften wurden aber bald der Obrigkeit gemeldet, sodass es bereits Ende Januar und Anfang Februar zu ersten Verhaftungen kam, u. a. auch von Franckh und Hardegg. Hinsichtlich einer Militärverschwörung war der württembergischen Regierung indes noch nichts bekannt. Koseritz traf sich am 3. März 1833 in Schluchtern bei Heilbronn mit dem Advokaten Franz Carl Gärth, einem Verschwörer aus Frankfurt, um ein synchrones Vorgehen am 3. April abzustimmen, agierte aber zögerlich, da er sich nicht sicher war, die notwendige Anzahl an Militärpersonen für sein Vorhaben zusammenzubekommen. Auch der allgemeine Rückhalt in der Bevölkerung erschien ihm zu gering. Letztendlich versammelte Koseritz am 5. April, zwei Tage nach dem Frankfurter Wachensturm, zwar noch 60 vertraute Unteroffiziere, um seinen Militärputsch in die Tat umzusetzen, brach jedoch die Aktion ab, sobald einen Tag später die Nachricht vom Scheitern des Umsturzes aus Frankfurt kam. Die Verschwörung wurde erst mit einiger zeitlicher Verzögerung aufgedeckt und die Beteiligten sukzessive ermittelt. Koseritz selbst kam schließlich im Juni 1833 in Haft.

In den Akten des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und des Staatsarchivs Ludwigsburg sind die Untersuchungs- und Prozessunterlagen gegen Ernst Ludwig Koseritz und seine Mitstreiter recht umfangreich überliefert. So hat sich auch ein Schreiben erhalten, in welchem Koseritz einen Besuch seiner Mutter und seiner Verlobten erbittet, was ihm jedoch nur im Beisein einer Aufsichtsperson gewährt wurde. Er und ein weiterer militärischer Rädelsführer wurden im März 1835 wegen Hochverrats zu ehrloser Kassation (Entlassung aus dem Militärdienst) und zum Tod durch Erschießen verurteilt. Das Urteil wurde zunächst auch vom König bestätigt und erst im letzten Moment in eine zwangsweise Auswanderung nach Amerika umgewandelt. Die zivilen Beteiligten erhielten teilweise langjährige Zuchthausstrafen, die aber ebenfalls später meist abgemildert wurden.

Auch die Eskortierung des Koseritz unter dem Decknamen Erbe nach Bremen zur anschließenden Verschiffung nach Amerika ist im Hauptstaatsarchiv gut dokumentiert. Dort sollte Koseritz anscheinend in Florida bei Kämpfen gegen die indigene Bevölkerung zum Einsatz kommen. Zuvor erkrankte er jedoch schwer und starb im Sommer 1838 in New Orleans. Biografisch interessant ist die Wandlung des Mitverschwörers Georg David Hardegg zum christlichen Mystiker während seiner Haftzeit. Er war später einer der Mitbegründer der Tempelgesellschaft und starb 1879 in Haifa.

Johannes Renz

Quelle: Archivnachrichten 66 (2023), Seite 16-17.

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